ETF-Rentenversicherung - Ist das sinnvoll?
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Die jüngere, noch erwerbstätige Generation teilt nahezu uneingeschränkt eine Meinung: Die eigene staatliche Rente wird für ein gutes Leben im Alter nicht reichen. Deshalb investieren sie ihr Kapital in ETFs - was aber auch mit einer Rentenversicherung geht. Ist das aber tatsächlich besser?
Versicherer gehen neue Wege
Zwar steigen aktuell wieder die Zinsen, in der jüngeren Vergangenheit haben die Versicherer aber selbst Hand angelegt - und bestehende Altersvorsorgemodelle entweder neu ausgerichtet oder völlig aufgelegt. In diesem Kontext entstand auch die ETF-Rentenversicherung.
Das Prinzip ist nicht neu: Versicherungsnehmer investieren einmalig oder fortlaufend einen bestimmten Betrag, der dann später entweder als fortlaufende Rente oder einmalig in voller Höhe ausgezahlt wird. Neu ist in diesem Zusammenhang lediglich der Umstand, dass die Versicherer nun ebenso den ETF-Weg anbieten, statt teure aktive Fonds in die Rentenversicherung zu packen, die nach ihren hohen Kosten oftmals keinerlei Alpha gegenüber der Marktrendite generieren.
Das Prinzip der Alternative kennst du, wenn du auf dieser Seite bist, wahrscheinlich sowieso schon: Statt solch einer Rentenversicherung könntest du komplett eigenständig und privat für das Alter vorsorgen, indem du dir breitgestreute ETFs ins Depot legst und diese entweder mit sporadischen Investitionen, Sparplänen oder Einmalanlagen fütterst. Beide Lösungen sind definitiv besser zu bewerten als klassische Lebensversicherungen oder aktive Investmentfonds. Die haben hohe Kosten, speziell bei der klassischen Lebensversicherung hat der Versicherer zudem spezifische Einschränkungen was die Kapitalanlage betrifft, wodurch die Rendite dieser meist unterirdisch ist.
Warum überhaupt ETF-Sparpläne oder ETF-Rentenversicherung nutzen?
- Für die allermeisten Menschen wird die staatliche Rente aus der Rentenkasse nicht für ein schönes, erfülltes Leben im Alter ausreichen.
- Die entstandene Versorgungslücke sollte man durch die private Altersvorsorge schließen, was neben den hier dargelegten Optionen auch beispielsweise mit einer eigenen Immobilie oder anderen Sachwerten funktionieren könnte.
- Beide Optionen sind auf Flexibilität getrimmt, das bedeutet du kannst später einmal frei entscheiden, ob du dir den angesparten und rentierten Betrag komplett auszahlen lässt oder ob du monatliche Rentenzahlungen erhältst.
- Anders als Riester und die betriebliche Altersvorsorge, sind beide Modelle nicht an deinen Arbeitsplatz oder die Tätigkeit als Arbeitnehmer gebunden.
- Riester- und Rürup-Renten sind im Fall der Fälle nur schwer oder mit großen Abschlägen auf Hinterbliebene übertragbar, bei ETFs hast du mehr und vor allem günstigere Optionen.
Auf der Gegenseite soll ein Nachteil an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Flexible Altersvorsorgen, wie der ETF im eigenen Depot oder ETFs in einer darauf basierenden Rentenversicherung, werden nicht vom Staat bezuschusst. Während der Ansparphase gibt es also keine Förderungen, es landet lediglich das Geld in den Produkten, das du selbst einzahlst. Daraus wiederum entsteht zwangsläufig die Notwendigkeit für ein kostengünstiges und rentables Produkt, denn da keine Förderungen existieren, können diese auch keinen ausgleichenden Effekt gegenüber hohen Kosten haben.
Vergleich und detaillierte Betrachtung einer ETF-Rentenversicherung
An dieser Stelle macht es Sinn beide Varianten, also den klassischen ETF-Sparplan im Depot und die fondsbasierte Rentenversicherung, je nach Einzahlungs- und Auszahlungsphase zu betrachten. Das möchten wir für dich nachfolgend machen.
Einzahlungsphase
Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es weder für die eine noch die andere Option Zuschüsse oder steuerliche Vergünstigungen. Der einzige Unterschied zwischen beiden Varianten ist der, dass du bei einer ETF-Rentenversicherung kostengünstiger umschichten kannst, da auf derartige Umschichtungen keine Abgeltungssteuer fällig wird. Wenn du eine ETF-Position mit entsprechend hohem Gewinn verkaufen und anderweitig neu anlegen würdest, musst du den Gewinn oberhalb des Sparerfreibetrags versteuern.
Das ist ein klarer Vorteil für die ETF-Rentenversicherung, der sich je nach Strategie des Anlegers aber in Grenzen hält. Die meisten ETF-Sparer verfolgen eine passive Anlagestrategie, sie schichten ihre ETFs also sowieso nicht um, sondern besparen einfach breitgestreute ETFs, beispielsweise auf den MSCI World, über mehrere Jahre und Jahrzehnte.
Einmalauszahlung des Kapitals
Die Funktionsweise bei einem ETF-Sparplan ist wieder relativ einfach erklärt. Wenn du eine Einmalauszahlung anstrebst, verkaufst du einfach die komplette Position vom ETF. Alles oberhalb des Freibetrags wird besteuert.
Bei der ETF-Rentenversicherung ist es etwas anders. Wenn du ab dem 62. Lebensjahr eine Auszahlung veranlasst, wird nur die Hälfte vom Gewinn besteuert. Das geschieht mit dem persönlichen Steuersatz, der in Rentenjahren, da du dann nicht mehr erwerbstätig bist, normalerweise relativ niedrig ist.
Auszahlung des Kapitals als fortlaufende Rente
Die steuerlichen Vorteile der Rentenversicherung greifen hier ebenfalls. Bei einer fortlaufenden Ertragsauszahlung wirst du ab einem Alter von 67 Jahren mit 17 % besteuert, ab einem Alter von 65 Jahren mit 18 %. Wenn du die Rente nicht unbedingt benötigst, ist es also durchaus sinnvoll, diese noch zwei Jahre hinauszuzögern - wenn es auch nur 1 % Unterschied ist.
Beim ETF-Sparplan, beziehungsweise dann ETF-Entnahmeplan, wird wie gewohnt die Abgeltungssteuer oberhalb vom Freibetrag fällig.
Ist die ETF-Rentenversicherung damit klar der bessere Weg?
Die eben im Detail betrachteten Phasen erwecken den Eindruck, dass die Lösung mit einem Versicherer zwangsläufig und klar die bessere Option darstellt, was vor allem an den niedrigen Steuern in der Auszahlungsphase liegt.
Davon solltest du dich aber nicht täuschen lassen! Denn da, wo ein Versicherer seine Finger im Spiel hat, will dieser auch großzügig bezahlt werden. Zwar verzichtet er mitunter auf seine Provisionen, dir entstehen aber natürlich trotzdem weitaus höhere Kosten, als das in deinem eigenen Depot der Fall wäre - zumal viele Broker mittlerweile kostenlose Depots und Sparpläne anbieten.
Das Analyseunternehmen Assekurata spricht bei einer klassischen ETF-Rentenversicherung, wie sie in Deutschland aktuell vertrieben wird, von renditemindernden Kosten in Höhe von etwa 0,8 % jährlich. Bei einem breitgestreuten ETF, je nachdem, für welchen du dich entscheidest, betragen die Kosten hingegen etwa 0,1 bis 0,22 % - also die TER des Emittenten. Die Einschätzung von Assekurata wird übrigens nicht überall geteilt, es gibt durchaus auch Berechnungen, die eine Kostenquote zwischen 1 und 2 % unterstellen.
Was sich also definitiv sagen lässt: Du hast bei einer Rentenversicherung, weil sich der Versicherer von dir bezahlen lässt, jedes Jahr höhere Kosten. Im Gegenzug fällt deine Rendite also jedes Jahr niedriger aus, die Effekte dessen multiplizieren sich durch den Zinseszinseffekt noch.
Eine einfache Beispielrechnung, um den Unterschied greifbarer zu machen, bei der wir mit diesen Konditionen rechnen:
- jährliche Rendite von 7 %
- 25 Jahre Anlagedauer
- einmalig 50.000 Euro eingezahlt
Bei einem Sparplan in deinem Depot gehen wir davon aus, dass der ETF eine TER von 0,2 % hat. Das bedeutet, die reale Rendite beziffert sich auf 6,80 %. Damit hättest du nach 25 Jahren ein Endkapital von 272.387 Euro, wovon 222.387 Euro Rendite sind.
Bei einer Rentenversicherung gehen wir von Kosten von 1 % aus. Das bedeutet, die effektive jährliche Rendite beträgt dann noch 6 %. Dein Endkapital wären 223.248 Euro, deine Rendite 173.248 Euro.
Weil der Versicherer die Hand aufhält, hättest du nach 25 Jahren also etwa 50.000 Euro weniger Rendite mit deinem Anfangskapital erwirtschaftet. Bei größeren Summen ist der Effekt natürlich noch stärker. Dem gegenüber steht die geringere Steuerbelastung bei der Auszahlung, die aber sehr individuell ist und sich daher hier nicht verlässlich berechnen lässt.
Fazit: Veränderungen gibt es immer - und die lassen sich nur schwer einschätzen
Der nächste Punkt: Wir alle wissen nicht, was in der Zukunft passiert. Heute beträgt der Freibetrag auf Kapitalerträge 801 Euro, schon in 2023 soll er nach aktuellen Plänen auf 1.000 Euro ansteigen. Versteuert wird alles oberhalb dieser Summe mit etwas mehr als 26 %, was sich aus Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag ergibt.
Aber wie sieht die Situation in 20 oder 30 Jahren aus? Wir wissen es nicht, der Versicherer ebenso wenig und du natürlich auch nicht. Vielleicht ist die Abgeltungssteuer in 20 Jahren weitaus niedriger als heute oder der Freibetrag weitaus höher. Vielleicht entfallen die Steuervorteile für Rentner auch in 15 oder 30 Jahren? Mitunter geht der Versicherer bankrott und dein (geschütztes) Vermögen geht zu schlechteren Konditionen an einen anderen Versicherer über?
Niemand weiß, wie die Steuergestaltung in der Bundesrepublik in Jahrzehnten aussieht. Vielleicht bist du bis dahin schon ausgewandert und es gelten gänzlich andere Regeln oder es gibt einen einheitlichen EU-Steuerraum? Deshalb wäre es fatal nur auf die Steuervergünstigungen zu schauen und damit der ETF-Rentenversicherung ein besseres Urteil zuzusprechen.
Die meisten Anleger dürften ein größeres Interesse daran haben, ihr über das gesamte Leben angesparte und verzinste Kapital tatsächlich selbständig frei verwalten zu können, statt sich an irgendwelche Richtlinien von Versicherern zu halten, die noch dazu stolze Summen von dir verlangen, nur um effektiv einen ETF-Sparplan für dich anzulegen, was du genauso gut selbst könntest.
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