ETF-Liquidität: Spread, Volumen & Orderbuch verstehen & Gebühren senken
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ETF-Liquidität = hohes Volumen? Nicht ganz! Die wahre Liquidität kommt von den Basiswerten & dem Primärmarkt. Lerne, den Spread als Kostenfaktor zu verstehen & durch smartes Handeln Gebühren zu sparen.

Was bedeutet ETF-Liquidität wirklich? Mehr als nur das Volumen!
Liquidität – klingt erstmal sperrig, ist aber simpel: Wie leicht und schnell kannst du etwas kaufen oder verkaufen, ohne dass der Preis verrutscht? Bei ETFs ist das Thema etwas komplexer als bei Omas alter Standuhr auf dem Flohmarkt. Die Liquidität eines ETFs hängt nämlich nicht nur davon ab, wie viele Leute gerade diesen speziellen ETF an der Börse handeln wollen.
Der Clou bei ETFs ist ihre zweistufige Liquiditätsstruktur. Stell dir das so vor:
1. Der Sekundärmarkt: Das ist die normale Börse, wie du sie kennst (z.B. Xetra, Tradegate). Hier treffen Kauf- und Verkaufsorders von Anlegern wie dir aufeinander. Das hier sichtbare Handelsvolumen ist aber oft nur die Spitze des Eisbergs.
2. Der Primärmarkt: Hier kommen die Profis ins Spiel – die sogenannten autorisierten Teilnehmer (meist große Banken oder Handelshäuser). Sie können bei Bedarf direkt beim ETF-Anbieter neue ETF-Anteile "erschaffen" (Creation) oder bestehende Anteile zurückgeben (Redemption). Dafür liefern sie entweder die im ETF enthaltenen Aktien (oder andere Basiswerte) ein oder bekommen sie ausgezahlt.
Dieser Mechanismus ist entscheidend! Wenn du an der Börse (Sekundärmarkt) einen ETF kaufen willst, aber gerade niemand verkaufen möchte, springt oft ein Market Maker ein. Dieser kann sich über den Primärmarkt neue Anteile besorgen, indem er die zugrunde liegenden Aktien kauft und gegen ETF-Anteile tauscht. Die eigentliche Liquidität eines ETFs hängt also maßgeblich von der Liquidität der Basiswerte ab – also der Aktien oder Anleihen, die im ETF stecken.
Ein Beispiel: Ein ETF auf den DAX oder auch ein ETF auf den MSCI World ist super liquide. Nicht nur, weil viele Leute den ETF handeln, sondern weil die zugrunde liegenden Aktien selbst extrem liquide sind. Market Maker können jederzeit problemlos die Aktien kaufen oder verkaufen, um neue ETF-Anteile zu schaffen oder zurückzugeben. Bei einem Nischen-ETF, sagen wir auf vietnamesische Kleinunternehmen (vergleichbar mit der Herausforderung bei manchen Small Cap ETFs), sieht das anders aus. Auch wenn der ETF selbst vielleicht gar nicht so wenig gehandelt wird – wenn die zugrunde liegenden Aktien schwer handelbar sind, wird es auch für den Market Maker teuer und schwierig, Liquidität bereitzustellen. Das spürst du dann direkt.
Der große Unterschied zur Aktie: Eine Aktie hat nur den Sekundärmarkt. Wenn niemand Siemens-Aktien verkaufen will, kannst du auch keine kaufen (oder nur zu einem sehr hohen Preis). Beim ETF gibt es dank des Primärmarktes quasi eine zusätzliche Liquiditätsquelle im Hintergrund.


Der Spread: Dein direkter Kostenfaktor beim Handel
Der wohl wichtigste und direkteste Indikator für die Liquidität, den du sofort siehst, ist der Geld-Brief-Spanne, auch Bid-Ask-Spread genannt. Klingt kompliziert, ist es aber nicht.
Geldkurs (Bid): Der Preis, zu dem du aktuell verkaufen kannst. Das ist der höchste Preis, den jemand bereit ist zu zahlen. Briefkurs (Ask): Der Preis, zu dem du aktuell kaufen kannst. Das ist der niedrigste Preis, zu dem jemand bereit ist zu verkaufen.
Die Differenz zwischen diesen beiden Preisen ist der Spread. Und dieser Spread ist quasi die Marge für den Market Maker oder den Händler, der die Liquidität bereitstellt. Für dich als Anleger sind das aber direkte Kosten! Je enger (kleiner) der Spread, desto besser für dich, denn desto weniger zahlst du "extra" für den reinen Akt des Kaufens oder Verkaufens.
Was beeinflusst die Höhe des Spreads?
- Liquidität der Basiswerte: Wie schon erwähnt, das A und O. Ein ETF auf den S&P 500 hat fast immer einen Mini-Spread, weil US-Aktien super liquide sind. Ein ETF auf seltene Erden? Vermutlich ein breiterer Spread.
- Handelszeit: Handelst du einen US-ETF morgens um 9 Uhr deutscher Zeit, wenn die US-Börsen noch geschlossen sind? Dann ist der Spread meist höher. Die Market Maker haben mehr Unsicherheit und lassen sich das bezahlen. Ideal ist der Handel, wenn die Heimatbörse der wichtigsten Indexmitglieder geöffnet ist. Für den S&P 500 also ab 15:30 Uhr unserer Zeit.
- Wettbewerb der Market Maker: An großen Börsen wie Xetra konkurrieren oft mehrere Market Maker darum, die besten Kurse für einen ETF zu stellen. Mehr Wettbewerb = tendenziell engere Spreads.
- Volatilität: Wenn die Märkte verrücktspielen und die Kurse stark schwanken, weiten sich die Spreads meist aus. Das Risiko für die Market Maker steigt.
Lass uns das mal konkret machen: Ein beliebter MSCI World ETF hat an einem normalen Handelstag auf Xetra vielleicht einen Spread von 0,05 %. Kaufst du Anteile für 10.000 Euro, zahlst du quasi 5 Euro allein durch den Spread (die Hälfte davon, also 0,025 %, beim Kauf und die andere Hälfte theoretisch beim Verkauf). Das klingt nach wenig.
Aber nimm einen exotischeren ETF, vielleicht auf Frontier Markets, mit einem Spread von 0,5 %. Bei 10.000 Euro sind das schon 50 Euro Spread-Kosten! Das läppert sich, besonders wenn du öfter handelst oder größere Summen bewegst. Achte also immer auf den Spread, bevor du auf "Kaufen" klickst.
Handelsvolumen: Oft überschätzt, aber nicht unwichtig
Viele Anleger schauen auf das tägliche Handelsvolumen eines ETFs und denken: "Wow, 100 Millionen Euro Umsatz – der muss ja super liquide sein!" Das ist ein weit verbreiteter Trugschluss. Wie wir gelernt haben, kommt die meiste Liquidität ja aus dem Primärmarkt und der Liquidität der Basiswerte. Das an der Börse, beispielsweise über Plattformen wie Tradegate, sichtbare Volumen (Sekundärmarkt) ist oft nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich möglich wäre.
Ein ETF kann ein relativ geringes Handelsvolumen an der Börse haben, aber trotzdem sehr liquide sein, wenn er einen liquiden Index abbildet. Die Market Maker sorgen im Hintergrund dafür, dass du trotzdem gute Kurse bekommst und handeln kannst.
Heißt das, das Volumen ist völlig egal? Nein, nicht ganz. Ein extrem niedriges Handelsvolumen (z.B. nur wenige tausend Euro pro Tag) kann schon ein Warnsignal sein. Es könnte bedeuten:
- Der ETF ist sehr neu oder sehr unbeliebt.
- Es gibt vielleicht nur wenige Market Maker, die sich dafür interessieren.
- Die Spreads könnten tendenziell etwas breiter sein als bei ETFs mit höherem Volumen auf denselben Index.
Es gibt eine gewisse Korrelation: ETFs mit sehr hohem Volumen, wie sie oft nach Verschmelzungen großer Anbieter entstehen, haben tendenziell auch sehr enge Spreads. Aber die Kausalität läuft eher andersherum: Weil die Basiswerte so liquide sind, ist der Spread eng, und das lockt wiederum viel Handelsvolumen an – manchmal sogar bei relativ neuen Produkten.
Fazit zum Volumen: Schau drauf, aber überbewerte es nicht. Ein niedriges Volumen allein macht einen ETF nicht automatisch schlecht oder illiquide, solange der zugrunde liegende Index liquide ist. Konzentriere dich lieber auf den Spread und die Infos aus dem Orderbuch.
Ein Blick ins Orderbuch: Die wahre Tiefe erkennen
Jetzt wird's etwas technischer, aber keine Sorge, das ist kein Hexenwerk. Das Orderbuch (auch Markttiefe oder Level 2 genannt) gibt dir einen tieferen Einblick in die aktuelle Liquidität als nur der Spread. Es zeigt dir nicht nur den besten Geld- und Briefkurs, sondern auch, wie viele Anteile zu diesen und den nächstschlechteren Preisen gerade angeboten (Ask) oder nachgefragt (Bid) werden.
Stell dir das wie eine gestaffelte Liste vor:
Verkaufsseite (Ask): - 100 Anteile zu 50,00 € (Bester Briefkurs) - 250 Anteile zu 50,01 € - 500 Anteile zu 50,02 € ...
Kaufseite (Bid): - 150 Anteile zu 49,98 € (Bester Geldkurs) - 300 Anteile zu 49,97 € - 400 Anteile zu 49,96 € ...
Was kannst du daraus lesen?
- Der Spread: Die Differenz zwischen dem besten Briefkurs (50,00 €) und dem besten Geldkurs (49,98 €) beträgt hier 0,02 €.
- Die Tiefe / Das Volumen hinter dem Spread: Zum besten Briefkurs kannst du sofort 100 Anteile kaufen. Willst du mehr, z.B. 350 Anteile, müsstest du die 100 Anteile für 50,00 € und die nächsten 250 Anteile für 50,01 € nehmen. Dein Durchschnittspreis wäre also leicht höher. Je mehr Volumen auf den ersten Preisniveaus liegt, desto "tiefer" und liquider ist der Markt in diesem Moment.
Die Orders im Buch kommen von normalen Anlegern, aber vor allem von den Market Makern (an der Frankfurter Börse auch Designated Sponsors genannt). Diese sind oft vertraglich verpflichtet, für bestimmte ETFs Liquidität bereitzustellen, also ständig Kauf- und Verkaufsangebote mit einem maximalen Spread und einem Mindestvolumen ins Buch zu stellen. Das sorgt für die Grundliquidität.
Ein Blick ins Orderbuch hilft dir abzuschätzen, ob du auch eine größere Order platzieren kannst, ohne den Preis stark zu beeinflussen. Siehst du auf den ersten fünf Preisstufen nur ganz kleine Stückzahlen, ist Vorsicht geboten. Findest du hingegen Tausende von Anteilen nah am besten Preis, ist das ein gutes Zeichen für hohe Liquidität.
Nicht jeder Broker bietet den vollen Einblick ins Orderbuch, manchmal kostet es extra. Aber selbst die Anzeige des Volumens zum besten Geld- und Briefkurs (oft als "Bid Size" und "Ask Size" bezeichnet) ist schon ein wertvoller Hinweis.
Handelsgebühren minimieren: Smarte Tricks für deinen ETF-Kauf
Okay, wir haben die Theorie der Liquidität verstanden. Aber wie nutzt du das jetzt praktisch, um beim Handel Kosten zu sparen? Hier sind die wichtigsten Hebel:
1. Wähle die richtige Börse und Handelszeit: - Hauptbörse bevorzugen: Für die meisten ETFs ist Xetra die wichtigste deutsche Börse mit dem höchsten Volumen und oft den engsten Spreads, weil hier viele Market Maker aktiv sind. Aber auch Handelsplätze wie Tradegate (längere Handelszeiten) können gute Kurse bieten – vergleichen lohnt sich. - Heimatbörse beachten: Wie schon beim Spread erwähnt – handle ETFs idealerweise dann, wenn die Leitbörsen der enthaltenen Werte geöffnet sind. US-ETFs nachmittags, Asien-ETFs morgens. Das sorgt für die engsten Spreads. Außerhalb dieser Zeiten wird es teurer. Vermeide besonders den Handel ganz früh morgens oder spät abends, wenn die Unsicherheit am größten ist.
2. Nutze Limit-Orders (fast immer): - Eine Market-Order bedeutet: Kaufe/Verkaufe sofort zum nächstbesten verfügbaren Preis. Das ist bequem, birgt aber Risiken. Wenn die Liquidität gerade dünn ist oder der Markt schnell schwankt, kann der Ausführungspreis deutlich schlechter sein als erwartet (Slippage). - Eine Limit-Order bedeutet: Kaufe höchstens zu Preis X / Verkaufe mindestens zu Preis Y. Damit hast du die Kontrolle über den maximalen Kauf- bzw. minimalen Verkaufspreis. Die Order wird nur ausgeführt, wenn dein Limit erreicht oder unterschritten (beim Kauf) bzw. überschritten (beim Verkauf) wird. - Warum Limit? Bei liquiden Standard-ETFs (MSCI World, DAX) während der Haupthandelszeiten ist das Risiko einer Market-Order gering, aber vorhanden. Bei weniger liquiden ETFs oder außerhalb der Kernzeiten ist eine Limit-Order Pflicht! Setze das Limit leicht über dem aktuellen Geldkurs (beim Verkauf) bzw. leicht unter dem aktuellen Briefkurs (beim Kauf), um die Chance auf eine Ausführung zu erhöhen, aber dich gleichzeitig vor bösen Überraschungen zu schützen.
3. Achte auf die Brokerwahl und die Kostenstruktur: - Ordergebühren: Die offensichtlichsten Kosten. Vergleiche die Gebührenmodelle der Broker (Flat Fee, prozentual, volumenabhängig). Bei kleinen Orders sind Flat Fees oft teuer, bei großen Orders können prozentuale Gebühren ins Geld gehen. - Spread & Handelsplatzentgelte: Manche Broker leiten Orders bevorzugt an bestimmte Handelsplätze weiter, wo sie Rückvergütungen erhalten (Payment for Order Flow - PFOF). Das kann dazu führen, dass du nicht immer den absolut besten Spread bekommst. Achte darauf, ob dein Broker eine breite Auswahl an Handelsplätzen mit echten Kursen (wie Xetra) anbietet. Eventuell fallen auch noch separate Handelsplatzentgelte an. - Das Gesamtpaket zählt: Der günstigste Broker bei den Ordergebühren ist nicht immer der beste, wenn die Spreads systematisch schlechter sind.
4. Liquide ETFs finden: - Spread prüfen: Schau dir vor dem Kauf den aktuellen Spread an. Ist er dauerhaft sehr breit (z.B. > 0,3 % bei einem Aktien-ETF)? Vielleicht gibt es eine liquidere Alternative für denselben Index. - Orderbuch (wenn möglich): Wie tief ist das Buch? Gibt es genug Volumen nahe am besten Preis? - Anzahl Market Maker / Designated Sponsors: Auf den Webseiten der Börsen (z.B. Deutsche Börse) findest du oft Infos, wie viele Market Maker für einen ETF zuständig sind. Mehr ist meist besser. - Fondsgröße (als Indiz): Sehr große ETFs (Milliarden AUM) sind tendenziell liquider, aber das ist keine Garantie und hängt wieder von den Basiswerten ab. Ein kleiner ETF auf einen liquiden Index kann trotzdem top sein.
Risiken bei illiquiden ETFs: Wenn der Handel teuer wird
Warum der ganze Aufwand? Weil illiquide ETFs echte Nachteile haben können:
Höhere Handelskosten: Das ist der offensichtlichste Punkt. Breite Spreads fressen deine Rendite auf, besonders wenn du häufiger handelst oder umschichtest.
Schwierigkeiten beim Verkauf (in Krisen): Wenn die Märkte turbulent werden, trocknet die Liquidität oft zuerst bei Nischenprodukten aus. Die Spreads explodieren, das Volumen im Orderbuch schmilzt dahin. Im schlimmsten Fall findest du kurzfristig kaum Käufer oder nur zu extrem schlechten Preisen. Das war zum Beispiel im Corona-Crash im März 2020 bei einigen Anleihen-ETFs zu beobachten.
Größere Abweichungen vom Nettoinventarwert (NAV): Der NAV ist der "faire" Wert aller Basiswerte im ETF pro Anteil. Normalerweise sollte der Börsenkurs sehr nah am NAV liegen. Bei illiquiden ETFs kann der Kurs aber stärker vom NAV abweichen (Prämie oder Discount), weil der Arbitrage-Mechanismus durch die Market Maker nicht reibungslos funktioniert. Du zahlst dann vielleicht mehr als der ETF eigentlich wert ist, oder bekommst beim Verkauf weniger.
Das heißt nicht, dass du Nischen-ETFs komplett meiden musst. Aber sei dir der potenziell höheren Kosten und Risiken bewusst und handle sie besonders umsichtig (Limit-Orders, richtige Handelszeit).
Fazit: Liquidität verstehen, Kosten sparen
Puh, das war eine Menge Input zur ETF-Liquidität. Aber die Kernbotschaft ist einfach: Schau genauer hin! Verlass dich nicht blind auf das Handelsvolumen. Die wahre Liquidität steckt oft tiefer – in den Basiswerten, im Orderbuch und im Mechanismus des Primärmarktes.
Dein Werkzeugkasten für den liquiden Handel:
- Check den Spread – er ist dein direkter Kostenindikator.
- Verstehe, dass die Liquidität der Basiswerte entscheidend ist, nicht nur das ETF-Volumen.
- Nutze das Orderbuch (wenn möglich) zur Einschätzung der Tiefe.
- Handle zur richtigen Zeit (Heimatbörse offen) an der richtigen Börse (z.B. Xetra).
- Setze auf Limit-Orders, um Preiskontrolle zu behalten.
- Wähle deinen Broker mit Bedacht (Gesamtkosten im Blick).
Wenn du diese Punkte beachtest, kannst du die "versteckten" Kosten beim ETF-Handel deutlich reduzieren und sorgst dafür, dass mehr von deiner Rendite auch wirklich bei dir ankommt. Es ist kein Hexenwerk, sondern erfordert nur ein bisschen Aufmerksamkeit und das richtige Wissen. Jetzt bist du gewappnet – viel Erfolg beim smarten Handeln!
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