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Grün ist nicht gleich grün: Greenwashing im ESG-ETF-Dschungel entlarven

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Nachhaltig investieren mit ETFs klingt gut, doch Greenwashing ist weit verbreitet. Lerne, wie du Mogelpackungen im ESG-Dschungel erkennst und Fonds findest, die nicht nur grün scheinen, sondern es auch wirklich sind.

Grün ist nicht gleich grün: Greenwashing im ESG-ETF-Dschungel entlarven

Grün ist nicht gleich grün: Wie du Greenwashing im ESG-ETF-Dschungel entlarvst

Der Markt für nachhaltige Geldanlagen boomt. Immer mehr Anleger wie du wollen ihr Geld nicht nur vermehren, sondern auch Gutes tun. Die Finanzindustrie hat diesen Wunsch erkannt und eine Flut an ESG-ETFs auf den Markt geworfen. ESG – das Kürzel für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung) – ist zum ultimativen Verkaufsargument geworden. Zwischen 2016 und 2021 wuchs das global verwaltete Vermögen in diesem Sektor jährlich um beeindruckende 19 Prozent, und die Zahl der als „grün“ gelabelten ETFs hat sich allein in den letzten zwei Jahren auf fast 1.300 mehr als verdoppelt.

Doch hier beginnt das Problem: Wo viel Geld fließt, sind auch die Marketing-Strategen nicht weit. Das Ergebnis ist ein Phänomen namens Greenwashing. Ein Begriff, der beschreibt, wie Unternehmen sich ein umweltfreundliches Image verpassen, ohne es wirklich zu sein. Im Finanzkontext bedeutet das: Ein ETF wird als nachhaltig verkauft, obwohl sein Portfolio Unternehmen enthält, die man eher nicht auf einer Klima-Demo erwarten würde. Für dich als Anleger ist das mehr als nur ärgerlich. Es untergräbt nicht nur dein Vertrauen, sondern auch dein Ziel, mit deinem Kapital eine positive Wirkung zu erzielen.

Dieser Artikel ist dein Kompass für den ESG-Dschungel. Wir zeigen dir, worauf du achten musst, wie du die Tricks der Anbieter durchschaust und wie du ETFs findest, die wirklich halten, was ihr grüner Name verspricht.

Die Anatomie des grünen Anstrichs: Was steckt in einem ESG-ETF?

Um Greenwashing zu erkennen, musst du zuerst verstehen, wie ESG-ETFs überhaupt zusammengestellt werden. Es gibt nicht die eine, heilige Methode. Stattdessen nutzen Fondsanbieter verschiedene Ansätze, die mal mehr, mal weniger streng sind. Die drei gängigsten Strategien solltest du kennen:

  1. Das Ausschlussverfahren (Exclusion): Das ist die einfachste und am weitesten verbreitete Methode. Hier werden bestimmte Branchen oder Unternehmen kategorisch aus dem Portfolio verbannt. Klassiker sind Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Waffen und oft auch die Förderung von Kraftwerkskohle. Klingt gut, oder? Der Haken: Die Liste der Ausschlüsse ist oft erstaunlich kurz. Viele Fonds schließen zwar Kohle ab einer bestimmten Umsatzgrenze aus, lassen aber Öl- und Gaskonzerne unberührt.

  2. Der Best-in-Class-Ansatz: Stell dir vor, du suchst nicht nach dem saubersten Unternehmen, sondern nach dem saubersten Hemd im schmutzigen Wäschekorb. Genau das macht dieser Ansatz. Anstatt ganze Branchen wie die Ölindustrie auszuschließen, wählt der Fonds die Unternehmen aus, die innerhalb ihrer Branche die besten ESG-Werte aufweisen. So kann es passieren, dass ein großer Ölkonzern in deinem „nachhaltigen“ ETF landet, nur weil er im Vergleich zu seinen direkten Konkurrenten minimal bessere Umwelt- oder Sozialstandards hat. Das ist einer der Hauptgründe, warum viele ESG-ETFs auf den zweiten Blick gar nicht so grün sind.

  3. Impact Investing: Dies ist die Königsklasse des nachhaltigen Investierens. Hier wird gezielt in Unternehmen investiert, deren Produkte oder Dienstleistungen einen direkten und messbaren positiven Beitrag für Umwelt oder Gesellschaft leisten. Denk an Firmen, die Technologien für erneuerbare Energien entwickeln, sauberes Wasser bereitstellen oder Bildung zugänglich machen. Solche ETFs sind oft thematisch sehr spitz zugeschnitten (z.B. „Clean Water“ oder „Renewable Energy“) und kommen dem Ideal des wirkungsvollen Investierens am nächsten. Sie sind allerdings auch seltener und oft konzentrierter als breit gestreute ESG-Fonds.

Das Problem für dich als Anleger: Der Name eines ETFs verrät selten, welche Methode angewendet wird. Ein „ESG Enhanced“ oder „ESG Leaders“ ETF kann alles Mögliche bedeuten. Die wahre Zusammensetzung bleibt oft im Kleingedruckten verborgen.

Folge der Spur des Geldes: Warum Greenwashing so profitabel ist

Warum betreiben Fondsanbieter diesen Aufwand? Die Antwort ist simpel: Geld. Ein grünes Label ist ein extrem wirksames Marketinginstrument. Studien zeigen, dass Fonds, die ESG-Begriffe in ihren Namen aufnehmen, im Schnitt einen Zufluss an neuen Anlegergeldern von fast 9 Prozent im ersten Jahr nach der Umbenennung verzeichnen. Das ist ein gewaltiger Anreiz.

Wie groß das Problem in der Praxis ist, zeigt eine aktuelle NGO-Studie. Sie fand heraus, dass sage und schreibe 43 Prozent der europäischen ESG-Fonds mit Begriffen wie „Umwelt“ oder „Nachhaltigkeit“ im Namen signifikante Positionen in fossilen Energiekonzernen halten. Wir reden hier nicht über kleine Beträge. Bis zu 17,1 Milliarden Euro bleiben selbst nach Inkrafttreten neuer EU-Regeln voraussichtlich in großen Öl- und Gaskonzernen wie Shell, TotalEnergies oder ExxonMobil investiert – und das innerhalb von Fonds, die als nachhaltig vermarktet werden.

Die Aufsichtsbehörden werden zwar langsam aufmerksam, aber die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Die US-Börsenaufsicht SEC hat der DWS, der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank, 2023 eine Strafe von 19 Millionen US-Dollar wegen Greenwashing-Vorwürfen auferlegt. Das klingt nach viel, ist aber für einen globalen Vermögensverwalter oft nicht mehr als eine Betriebsausgabe. Der finanzielle Anreiz, es mit der Nachhaltigkeit nicht ganz so genau zu nehmen, bleibt hoch.

Die neuen Regeln: Ein zahnloser Tiger?

Seit Mai 2025 gelten in der EU neue Richtlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Sie sollen dem Greenwashing einen Riegel vorschieben. Die Idee ist, dass der Name eines Fonds halten muss, was er verspricht. Fonds mit Begriffen wie „ESG“ oder „Sustainable“ im Namen müssen nun Mindestschwellen für nachhaltige Investitionen nachweisen und klare Ausschlusskriterien für fossile Energieträger anwenden.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt entscheidende Schlupflöcher. Die strengen Regeln gelten primär für sehr eindeutige Begriffe. Für Fonds, die sich kreativere Namen wie „Transition“, „Responsible“ oder „Future-Oriented“ geben, sind die Vorgaben deutlich lockerer. So können Anbieter weiterhin in Unternehmen investieren, die sich in einem angeblichen „Transformationsprozess“ befinden – ein dehnbarer Begriff, der auch große CO2-Emittenten einschließen kann.

Ein weiteres Grundproblem bleibt bestehen: die ESG-Ratings selbst. Es gibt keinen einheitlichen Standard dafür, wie die Nachhaltigkeit eines Unternehmens bewertet wird. Verschiedene Ratingagenturen wie MSCI, Sustainalytics oder Refinitiv nutzen unterschiedliche Methoden und kommen oft zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Für dich bedeutet das: Selbst wenn ein ETF angibt, nur in Unternehmen mit Top-ESG-Rating zu investieren, ist das keine Garantie für echte Nachhaltigkeit.

Dein Werkzeugkasten: So entlarvst du Greenwashing Schritt für Schritt

Du bist dem Marketing der Fondsgesellschaften nicht hilflos ausgeliefert. Mit ein wenig Detektivarbeit kannst du selbst prüfen, wie grün ein ETF wirklich ist. Hier ist deine Checkliste:

  1. Ignoriere den Namen, lies das Factsheet: Der Name ist Marketing. Die Wahrheit findest du im Factsheet, im Key Investor Information Document (KIID) oder im Fondsprospekt. Suche nach der offiziellen Anlagestrategie. Welcher Index wird abgebildet? Welche ESG-Methode wird konkret angewendet (Ausschluss, Best-in-Class)?

  2. Analysiere die Top-10-Positionen: Das ist der schnellste und effektivste Realitätscheck. Jeder ETF muss seine größten Positionen offenlegen. Wirf einen Blick auf die Top 10. Findest du dort Ölkonzerne, große Banken, die als Hauptfinanzierer fossiler Projekte bekannt sind, oder Fast-Fashion-Riesen? Wenn ja, sollten deine Alarmglocken schrillen.

  3. Hinterfrage die Ausschlüsse im Detail: Schau genau hin, was wirklich ausgeschlossen wird. „Kontroverse Waffen“? Gilt fast immer. „Tabak“? Meistens. Aber wie sieht es mit fossilen Brennstoffen aus? Wird nur Kraftwerkskohle ausgeschlossen oder auch Öl und Gas? Gibt es Umsatzschwellen (z.B. „Unternehmen mit mehr als 5 % Umsatz aus Kohle“)? Je schwammiger die Kriterien, desto vorsichtiger solltest du sein.

  4. Prüfe den zugrundeliegenden Index: Ein ETF ist nur so gut wie der Index, den er abbildet. Der ETF-Anbieter (z.B. iShares, Xtrackers) entscheidet nicht selbst über die Aktienauswahl. Das macht der Indexanbieter (z.B. MSCI, FTSE Russell). Suche nach dem Namen des Index (z.B. „MSCI World ESG Screened“) und schau dir auf der Website des Indexanbieters dessen Methodik an. Dort ist genau definiert, warum ein Unternehmen aufgenommen oder ausgeschlossen wird.

  5. Nutze unabhängige Quellen: Es gibt spezialisierte Analyse-Websites und Berichte von NGOs, die Fonds und ETFs auf ihre tatsächliche Nachhaltigkeit durchleuchten. Eine kurze Online-Suche nach dem ETF-Namen in Kombination mit Begriffen wie „Greenwashing“, „Controversy“ oder „Holdings“ kann oft aufschlussreiche Ergebnisse liefern.

Fazit: Grün investieren geht – aber nur mit Hausaufgaben

Nachhaltiges Investieren mit ETFs ist kein Märchen. Es ist absolut möglich, ein Portfolio aufzubauen, das deinen finanziellen Zielen dient und gleichzeitig deinen Werten entspricht. Aber es ist eben kein Selbstläufer. Der ESG-Markt ist unübersichtlich, und nicht alles, was grün glänzt, ist auch Gold.

Die wichtigste Erkenntnis für dich als Anleger ist: Blindes Vertrauen in schöne Namen und hohe ESG-Ratings ist der falsche Weg. Echte Nachhaltigkeit erfordert, dass du genauer hinsiehst, kritische Fragen stellst und die Fakten selbst überprüfst. Die Werkzeuge dafür hast du nun an der Hand.

Lass dich vom Greenwashing-Nebel nicht entmutigen. Sieh es als Herausforderung: Mit einer gesunden Portion Skepsis und der Bereitschaft, ein wenig tiefer zu graben, findest du die Nadeln im Heuhaufen – die ETFs, die wirklich einen Unterschied machen. Bleib kritisch und investiere informiert.

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