Mit Frugalismus zu finanzieller Freiheit: Sinnvoll oder Unsinn?

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Minimalistisch leben und dann früher in den Ruhestand? Frugalisten verfolgen genau dieses Ziel, häufig auch schlicht mit "endlich finanziell frei" umschrieben. Die finanzielle Freiheit kommt natürlich nicht von ungefähr: sondern von kontinuierlichem, jahrzehntelangem Verzicht. Macht so etwas Sinn?

Mit Frugalismus zu finanzieller Freiheit: Sinnvoll oder Unsinn?

Was überhaupt ist Frugalismus?

Schon bei der Definition gehen die Meinungen auseinander. Frugalismus ist nämlich in erster Linie ein Trendwort, das sich beispielsweise mit Genügsamkeit, Bescheidenheit oder Sparsamkeit übersetzen lässt. Wikipedia verweist darauf, dass Frugalisten gern ihrem "Hamsterrad" entkommen möchten, also finanzielle Freiheit erlangen. Letztere ist prinzipiell genau das, was alle Frugalisten antreibt. Sie möchten so früh wie möglich in Quasi-Rente - und zwar indem sie vom eigenen Angesparten, also dem Vermögen und seinen Zinsen leben. Ein relativ bekannter Trend aus den USA griff das auf: FIRE heißt da die Lebensweise, bei der irgendwann die World-ETFs im Depot den eigenen Lebensunterhalt bestreiten sollen - und Arbeit nur noch etwas ist, das die Frugalisten aus ferner Erinnerung kennen.

FIRE Bewegung: Finanzielle Freiheit & mit 40 in Rente?
Die FIRE Bewegung hat nichts mit Feuer zu tun. Es geht auch nicht darum, für etwas zu demonstrieren. Vielmehr geht es darum, die finanzielle Freiheit zu erreichen und frühzeitig in den Ruhestand zu gehen. Das Konzept stammt aus den USA und stößt auch in Deutschland auf Begeisterung.

Jemand, der dem Frugalismus positiv gegenüber eingestellt ist, würde mitunter behaupten, es sei ein Lebensstil, bei dem die Person zukunftsorientiert unter ihren finanziellen Möglichkeiten lebt - und zwar deutlich! Ein eher negativ eingestellter Diskussionsteilnehmer würde wohl sagen, dass auf Hartz-4-Niveau leben, obwohl man ein überdurchschnittliches Nettogehalt sowie kontinuierliche Vermögenserträge und finanzielle Rücklagen hat, eher einer Lebensverschwendung gleichkommt - schließlich ist durchgeschwitzte Sneaker gebraucht kaufen, um Geld zu sparen, oder auf dem Balkon Regenwasser aufsammeln nicht wirklich jedermanns Sache. Das alles machen Frugalisten natürlich nicht, weil sie Spaß am Verzicht empfinden, sondern um die eigene Sparquote zu erhöhen.

Die Sparquote ist gewissermaßen der goldene Gral des Frugalisten. Je höher die Sparquote, desto stärker wachsen die Vermögenswerte (meist ETFs), umso früher geht es in die selbstverordnete Rente. Zwangsläufig werden Frugalisten also mehr ansparen als Menschen, die ihr Leben genießen, konsumieren und dabei allerlei Geld ausgeben für Sachen, die sie weder benötigen noch tatsächlich einen dauerhaften Mehrwert im eigenen Leben erzielen.

Frugalismus und Minimalismus - gibt es Unterschiede?

Geboren war der Frugalismus, zumindest als Trend, aus einem Blog: und zwar schon im Jahr 2005. Damals waren es Pete Adeney mitsamt seiner Frau, die sich mit gerade einmal 30 Lebensjahren in den Ruhestand begaben, um von ihren passiven Vermögenserträgen und -werten zu leben. Der Blog hieß "Mr. Money Mustache" und sollte trotz seines argwöhnischen Namens eine ganze Generation, oder zumindest Teile davon, inspirieren.

Adeney und seine Frau hatten damals einen Plan, der heute die Quasi-Bibel der Frugalisten ist. Beide hatten ein recht hohes Einkommen, nutzten das aber nicht um ihren eigenen Lebensstandard zu erhöhen, sich Urlaub in fremden Ländern und unter anderen Kulturen oder kulinarische Highlights zu gönnen, sondern packten stattdessen alles in das stark in die Breite diversifizierte Depot - wo World-ETFs und Co. kontinuierlich Rendite erwirtschafteten. Adeney stellte in seinem Blog damals dar, man müsse ungefähr das 25-fache des Jahresbedarfs ansparen, ab da an könne man von seinen Renditen leben, die Basis effektiv nicht anrühren - und zwar so lang man möchte/lebt.

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Auch wenn der Lebensstil der Frugalisten es nach einem oberflächlichen Blick nicht vermuten lässt, handelt es sich in der Regel um (sehr) gut gebildete Menschen, die ein (sehr) gutes Einkommen vorweisen. Die Menschen, die eigentlich in einem schönen Haus oder einer schicken Großstadtwohnung leben und sich zwei- bis dreimal im Jahr das Leben im Ausland sowie mehrmals die Woche im Restaurant, Café oder der Bar versüßen könnten. Stattdessen gibt es nur "Zuckerbrot und Peitsche": kleine Wohnungen, zweckmäßiges Mobiliar, weitgehender Konsumverzicht, Genussverbannung - dafür eine hohe Sparquote und das feste Ziel, dass irgendwann in der Zukunft die Arbeitsstunden aus dem eigenen Alltag dauerhaft entfallen.

Der Frugalist verzichtet, um zu sparen. Der Minimalist verzichtet aus Überzeugung, unabhängig davon, ob er damit seine Sparquote erhöht.

So existieren zweifelsfrei Überschneidungen zum Minimalismus, aber auch feine Details, die beide Lebensphilosophien unterscheiden. Der Frugalist verzichtet, um zu sparen. Der Minimalist verzichtet aus Überzeugung, unabhängig davon, ob er damit seine Sparquote erhöht. Minimalisten zieht es deshalb auch verstärkt in die Natur oder Abgeschiedenheit, wo sie ihre eigenen Habseligkeiten auf das Wesentliche konzentrieren.

Dank frugalem Lebensstil früher in Rente - wie sinnvoll ist das denn nun?

Vorweg: letztlich muss das jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Glück findet schließlich, wer danach sucht. Wer sein Glück in einer hohen Sparquote und im Verzicht findet, der hat darauf ebenso ein Anrecht wie jemand, dessen Glück auf einer hohen Kreditkartenabrechnung und einer prall gefüllten Abstellkammer voller (unnötigen) Dingen beruht. Natürlich gibt es auch noch die goldene Mitte: mit moderat hoher Sparquote, die aber dennoch ein- oder zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen. Abhängig ist das nicht zuletzt auch immer ein wenig vom eigenen Einkommen. Mit einem kleinen Einkommen wird der frugalste Lebensstil keinen Weg in die Freiheit ebnen: und weiterer Verzicht geht dann schon an die Substanz.

Bei der Frage, ob Frugalismus sinnvoll ist, gehört das Ziel der eigentlichen "Unternehmung" in den Fokus gerückt: also der vorzeitige Ruhestand. Das ist es schließlich, was die Frugalisten antreibt. Nicht etwa irgendwann "reich" sein, im schönen Haus am Meer wohnen und ein großes Auto fahren, während die Rolex am Handgelenk glänzt. Der Lebensstandard selbst wird trotz der ganzen Sparerei nicht wirklich verbessert - es fällt lediglich eine Komponente weg. Welche das ist? Natürlich die der Arbeit. Frugalisten beharren darauf, dass sie nur dann "frei" sein können, wenn sie nicht mehr aktiv ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen - oder anders ausgedrückt: der Weg aus dem "Hamsterrad" eben.

Hier kommen wir aber bereits an den ersten Punkt, den du für dich selbst entscheiden musst: Was bedeutet Arbeit für dich selbst? Der Drang, möglichst früh aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, resultiert nicht zuletzt meist aus einer persönlichen Unzufriedenheit mit dem eigenen Job.

  • Würde der Arzt, der es liebt Menschen zu helfen, wirklich frugal leben, um seinen Beruf möglichst bald nicht mehr auszuüben?
  • Würde ein Unternehmer, der seine Arbeit und den Kontakt zu seinen Mitarbeitern liebt, wirklich so gern bald das eigene Unternehmen in fremde Hände überreichen wollen?
  • Würde der Freiberufler, der gern kreativ ist, wirklich für den Rest seines Lebens nur noch im eigenen privaten Kontext kreativ sein wollen?

Aus dem Hamsterrad zu entkommen bedeutet auch, sich überhaupt erst einmal wie im Hamsterrad zu fühlen. Viele Menschen lieben ihre Arbeit, mit all den unterschiedlichen Facetten. Natürlich möchte nicht jeder 40 Stunden die Woche arbeiten, aber auch dann gibt es Alternativen: vielleicht arbeitet man nur noch 20 Stunden in der Woche. Jeder, der unbedingt möglichst früh in Rente gehen möchte, muss sich also fragen, warum das eigentlich so ist. Sind der eigene Beruf und das Arbeitsleben tatsächlich eine so große Belastung?

Der nächste Punkt ist die Lebensqualität. Abgedroschen wie es klingen mag, hat jeder Mensch doch nur ein Leben. Möchte man wirklich die vermeintlich besten Jahrzehnte davon, der Gipfel der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit, damit verbringen, in fast schon prekären Lebensverhältnissen zu leben, um die Zahlen auf seinem Display auf der Webseite der eigenen Bank wachsen zu sehen? Ist man danach wirklich frei, wenn sich der Lebensinhalt so sehr um diese Zahlen dreht?

Wie viel Genuss jedem selbst bedeutet, ist eine Frage, die das Individuum für sich beantworten muss. Die meisten Menschen würden doch aber sagen, es ist der Genuss, der das Leben lebenswert macht. Die schönen Momente am Abend mit Freunden, nachdem man sich kulinarisch hat verwöhnen lassen und den Abend mit Drinks ausklingen lässt. Der Urlaub in fremde Länder, wo man den eigenen Horizont erweitert, Menschen und Kulturen kennenlernt, Erinnerungen kreiert. Ist es sinnvoll all das auf die zweite Hälfte des Lebens aufzuschieben, nur um fortan nicht mehr arbeiten zu müssen?

Das Risiko des Frugalismus wird im Bullenmarkt gern vergessen

Viele Frugalisten kennen bisher nur einen scheinbar für alle Zeit andauernden Bullenmarkt. Wer in den letzten 20 Jahren in einen World-ETF investiert hat oder "Tech" für eine so tolle Sache hielt, dass er direkt in den NASDAQ Geld anlegte, der hat nichts falsch gemacht. Tatsächlich hat derjenige absolute Überrenditen erzielt, die historisch eine große Ausnahme darstellen. Die, die sich aktuell den Frugalismus auf die Flagge geschrieben haben, kennen also nur den Bullenmarkt, mitsamt seinen zuletzt fast schon aberwitzigen Renditen.

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Aber wie sieht der eigene Lebensstil aus, wenn der Markt korrigiert, über Jahre/Jahrzehnte stagniert und erst wieder aufholt und mitunter 10 oder 15 Anlagejahre effektiv "verloren" sind? Was hat der ganze Verzicht auf Genuss und Lebensqualität dann gebracht? Irgendwann wird dieser Bullenmarkt, wie jeder zuvor, enden müssen. Der Nicht-Frugalist wird sich beim Blick auf sein Depot dann zwar mitunter etwas ärgern, weiter aber seine Tage genießen, Abenteuer erleben und Genuss finden. Für den Frugalist brechen mit dem Bärenmarkt Zeiten des Verzichts ohne Rendite und ohne dem eigenen Ziel näherzukommen an. Insofern ist keinem Menschen etwas vorzuschreiben: ebenso sei es jedem erlaubt, den strikten Sparquoten-Frugalismuseher abzulehnen.

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