Türkische Lira im freien Fall: Was sind die Auswirkungen?
Die Türkische Lira befindet sich auf einem Rekordtief. Im Oktober 2020 hat sie die höchsten Kursverluste erlitten. Der Kurszum Euro liegt gegenwärtig bei 9,72. Diese Entwicklung führt zu einer hohen Inflation in der Türkei. Was bedeutet das für Anleger?
Türkische Lira im freien Fall
Die Türkische Lira rutscht von einem Rekordtief ins nächste. Allein im Oktober 2020 wurde der Kurs gegenüber dem Euro um ungefähr acht Prozent abgewertet. Der aktuelle Kurs liegt bei 9,72. Im gesamten Jahr 2020 liegen die Kursverluste bei satten 44 Prozent. Gegenüber dem US-Dollar sind in diesem Jahr Verluste von 37 Prozent zu verzeichnen. Die Abwärtsspirale ist gefährlich. Devisenexperten können noch nicht vorhersagen, wie weit sich diese Entwicklung noch vollziehen wird. Im September dieses Jahres hat die türkische Notenbank die Zinsen überraschend erhöht. Diese Zinserhöhung konnte die aktuelle Entwicklung jedoch nicht aufhalten.
Was bedeutet das für Anleger aus Deutschland? Möchtest Du in einen ETF mit türkischen Aktien investieren, beispielsweise in den iShares MSCI Turkey UCITS ETF, ISIN IE00B1FZS574, WKN A0LEW5, musst Du mit Kurseinbrüchen rechnen. Die Entwicklungder Türkischen Lira bringt die türkischen Unternehmen in Bedrängnis. Das führt zu Kursverlusten bei den Aktien. Vielen türkischen Unternehmen droht die Insolvenz.
Investoren verlieren Vertrauen in Türkische Lira
Investoren verlieren das Vertrauen in die Lira. Ein Grund dafür ist die Frage nach der Unabhängigkeit der türkischen Notenbank. Der Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Notenbank wird von vielen Investoren gefürchtet. Erdogan ist ein Verfechter niedriger Zinsen. Erdogan hatte im vergangenen Jahr den Notenbankchef entlassen. Wie von Erdogan gefordert, senkte der Nachfolger zunächst die Zinsen. Im Juni 2019 lagen die Zinsen noch bei 24 Prozent, während sie aktuell bei 10,25 Prozent notieren. Im September 2020 erhöhte die türkische Notenbank überraschend die Zinsen um 200 Basispunkte. Dieser Schritt stieß bei Experten auf Zustimmung, doch die Türkische Lira fiel weiterhin stark im Kurs.
Zinssenkungen stützen tendenziell die Wirtschaft, da das günstige Kredite für Unternehmen und Verbraucher bedeutet. Diese Zinssenkungen sind jedoch für den Kurs der entsprechenden Währung, so auch für die Türkische Lira, negativ. Investoren legen ihr Kapital verstärkt in anderen Währungsgebieten an. Das schwächt den Kurs der eigenen Währung. Gegenüber dem Euro wird die Türkische Lira weiterhin im Kurs fallen.
Inflation aufgrund der schwachen Lira
Die schwache Türkische Lira wirkt sich auch auf die finanzielle Situation der Bevölkerung aus. In der Vergangenheit sind die Lebenshaltungskosten in der Türkei stark gestiegen. Im September 2020 ging die Teuerungsrate leicht zurück, doch sie liegt mit 11,75 Prozent noch deutlich über der Zielmarke der Notenbank von 5 Prozent. Die Inflation wird sich nach Ansicht von Experten so schnell nicht beruhigen. Kevin Daly, ein Experte von Goldman-Sachs, sieht in der Abwertung der Lira den Hauptgrund für die Inflation. Einfuhren verteuern sich, wenn die Währung an Wert verliert. Wie Daly betont, wurde die Inflation zuletzt durch Steuersenkungen gedrosselt. Der Preisdruck ist in der Kernrate weiterhin hoch. Auch die sinkenden Ölpreise führten nicht zu einer Senkung der Inflation. Ende des Jahres vermuten Experten der Commerzbank einen Anstieg der Inflation auf 16 Prozent. Um die Inflation und den weiteren Verfall der Türkischen Lira im Kurs zu drosseln, müsste der von der Notenbank festgelegte Zinssatz 100 oder 200 Basispunkte höher als die Infationsrate sein.
Hohe Verschuldung von türkischen Unternehmen im Ausland
Die türkische Staatsverschuldung gilt noch als tragbar, während sich die türkischen Unternehmen im Ausland bereits stark verschuldet haben. Auch die türkischen Finanzinstitute haben sich verschuldet. Da die Zinsen im Ausland bei Krediten häufig niedrig waren, nahmen die Unternehmen und Finanzinstitute verstärkt im Ausland Kredite auf. Die Unternehmen haben sich vor allem in Dollar und Euro verschuldet. In den kommenden Monaten müssen die Unternehmen Rückzahlungen über mehr als 8,5 Milliarden Euro leisten. Wird die Türkische Lira weiterhin abgewertet, führt das zu einer weiteren Belastung der Bilanzen dieser Firmen. Um die Produktivität in der Türkei wieder zu erhöhen, wären verstärkte Investitionen erforderlich. So könnte die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und die Arbeitslosigkeit gesenkt werden. Die schwächere Türkische Lira kommt jedoch den Unternehmen im Export zugute, da sie ihre Waren im Ausland billiger verkaufen können.
Erdogan verantwortlich für Kursverfall der Lira?
Eines ist sicher: Die türkische Politik verunsichert die Anleger. Währungsexperten waren kürzlich noch optimistisch. Sie gingen von einer Zinserhöhung der türkischen Zentralbank um 1,5 Prozent auf 11,75 Prozent aus. Investoren hielten diesen Schritt für überfällig. Sie hatten bereits an der Börse in türkische Unternehmen investiert. Das führte zu einem Kursanstieg des türkischen Aktienindex BIST 100 um 11,5 Prozent. Die Entwicklung vollzog sich jedoch aufgrund eines innenpolitischen Konflikts anders. Die türkische Zentralbank erhöhte die Leitzinsen nicht. Um die Binnenkonjunktur anzukurbeln, setzt Erdogan auf niedrige Zinsen. Um ausländische Investoren anzulocken, müsste die türkische Zentralbank die Zinsen jedoch erhöhen.
Weitere Gründe für die aktuelle Entwicklung der Lira
Nicht nur die innenpolitischen Entscheidungen von Präsident Erdogan wirken sich negativ auf den Kurs der Lira zum Euro aus. Die Türkische Lira verliert auch aufgrund der Außenpolitik von Präsident Erdogan. Dabei sorgt Erdogan gleich für mehrere Brandherde im Ausland:
- drohender Streit im Mittelmeer mit Griechenland um Meereszonen, da dort Erdgas-Lagerstätten vermutet werden
- Streit mit Frankreich, da Präsident Emmanuel Macron die Meinungsfreiheit zu Karikaturen über den Propheten Mohammed verteidigt
- drohende Sanktionen der USA, da das Nato-Mitglied Türkei ein Raketenabwehrsystem aus Russland kaufen will.
Die aktuelle politische Entwicklung drückt die Türkische Lira im Kurs.
Weitere Auswirkungen auf die Türkische Lira
Der Kurs der Lira wird noch von weiteren Faktoren negativ beeinflusst. Auch die Corona-Krise sorgt für einen Kursverfall. Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Fallzahlen und damit verbundenen Einschränkungen könnte der Kurs noch weiter sinken. Internationale Investoren setzen vermehrt auf sichere Währungen wie Euro oder US-Dollar. Das Risiko ist bei Währungen aus Schwellenländern, zu denen die Türkische Lira gehört, zu hoch. Die Wirtschaft könnte in der Krise aufgrund hoher Infektionszahlen in den Schwellenländern einbrechen. Das würde zu Verlusten bei den Investoren führen. Auch andere Währungen aus Schwellenländern haben in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise hohe Verluste verzeichnen müssen, beispielsweise der brasilianische Real, der argentinische Peso, der mexikanische Peso, die indische Rupie und der südafrikanische Rand.
Was bedeutet die aktuelle Entwicklung der Lira für deutsche Anleger?
Die aktuelle Entwicklung der Lira könnte dazu führen, dass der Euro im Kurs steigt. Ausländische Investoren könnten verstärkt auf den Euro setzen. Allerdings könnten die aktuelle Corona-Krise und die steigenden Fallzahlen die Investoren zur Zurückhaltung mahnen. Auswirkungen hat die schwache Türkische Lira auf Anleger, die in türkische Aktien oder türkische ETFs investieren. Die Aktien fallen im Kurs. Das wirkt sich auch aus, wenn Du in einen ETF auf türkische Aktien investierst. Ob das ein guter Zeitpunkt für den Einstieg ist, kann nicht gesagt werden. Die schwache Lira kann zu Insolvenzen führen.
Fazit: Ende des Kursverfalls der Lira nicht absehbar
Die Türkische Lira ist seit Jahresbeginn 2020 stark im Kurs gesunken. Der Kurs zum Euro liegt aktuell bei 9,72. Diese Entwicklung hat verschiedene Ursachen. Der türkische Präsident Erdogan ist für niedrige Zinsen, um die Produktivität der Unternehmen zu erhöhen. Konflikte zwischen Erdogan und der türkischen Zentralbank, aber auch die Außenpolitik von Erdogan und die aktuelle Corona-Krise schwächen die Lira. Ausländische Investoren sind verunsichert und investieren eher in sichere Währungen. Vielen türkischen Unternehmen droht die Insolvenz. Das wirkt sich auch auf die Kurse der Aktien türkischer Unternehmen aus.
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