Faktor ETF: Was das ist und welche Lücke sie füllen
Der Faktor-ETF ist im Kapitalmarkt zwar keine Neuheit, trotzdem hat die Auswahl solcher Produkte in der jüngeren Vergangenheit enorm zugenommen. Das Ziel dieser ETFs ist leicht erklärt: Sie sollen vermeintliche Schwachstellen in den breitgestreuten, marktkapitalisierten Indizes ausmerzen.
Erklärung und Definition der Faktor-Strategie
Ihren Namen tragen diese Produkte nicht grundlos. Während das Fundament des passiven Investierens eine breitgestreute, nach Marktkapitalisierung gewichtete Anlage ist, rücken diese ETFs bestimmte "Faktoren" in den Vordergrund und nehmen daher Veränderungen an Indizes vor - wodurch wiederum ein ganz neuer Index entsteht, den der ETF dann abbildet. Selbst in den 90er-Jahren gab es diese Faktor-Strategie schon, obgleich sie damals natürlich noch weitaus schwieriger umzusetzen war, da die dazugehörigen ETFs fehlten und derartige Anleger solche Faktoren also über eine hochspezifische Einzelaktienauswahl und ständiges Rebalancing abbilden mussten - was für Klein- und Privatanleger natürlich denkbar ungeeignet war.
Der Markt der ETF-Emittenten hat die entstandene Marktlücke relativ schnell erkannt und bot solche Produkte zunächst nur in kleiner Auswahl ergänzend an, mittlerweile gibt es aber locker eine dreistellige Auswahl dieser Faktor-ETFs, die auch in Deutschland beziehungsweise dem EU-Raum handelbar sind. Manchmal wird diese Strategie übrigens als "Smart Beta Investing" bezeichnet, wobei die gewählten Faktoren dann gleichbedeutend mit dem "Smart Beta" sind. Obwohl du hier nicht direkt die Depot-Zusammenstellung den breitgestreuten und nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes überlässt, zählen Faktor-ETFs dem allgemeinen Verständnis nach trotzdem zur Disziplin des passiven Investierens.
Am einfachsten lässt sich das Prinzip so erklären:
Klassische Beispiele für Faktoren
... und die dazugehörigen ETFs:
- Small Caps (geringe Marktkapitalisierung)
- bestimmte geografische Regionen/politisches Risiko
- fundamentale Daten/Qualität (Value)
- Momentum (positive Kursentwicklung im üblicherweise letzten halben Jahr)
- geringe Volatilität (Werte, die weniger stark als der breite Markt nach oben oder unten ausschlagen)
- Dividendenzahlungen und -entwicklungen
Mit der Strategie verwandt und quasi als "Vereinfachung" zu verstehen, ist übrigens das sogenannte "Multifaktor-Investing" - dazu erfährst du später gleich mehr.
ETF Beispiele
Das auserkorene Ziel solcher Faktor-ETF-Produkte
Es ist eine Eigenheit, die der Aktien- und Kapitalmarkt nie verlieren wird: Da, wo viele Teilnehmer mit unterschiedlichen Werten handeln, möchten auch immer einige Anleger mehr Rendite als die breite Masse generieren. Genau darauf stützt sich solches Faktor-Investing letztlich. Die ersten Untersuchungen, wie sich ausgewählte Faktoren positiv auf die Gesamtrendite auswirken können, fanden bereits in den 1970er-Jahren statt.
Finanzmarktwissenschaftler haben im Zuge dessen den einen oder anderen interessanten Aspekt herausgefunden. Ein Beispiel aus den 1980er-Jahren: Da stellte man fest, dass Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps) ein höheres Beta haben. Sie tragen also ein höheres Risiko sowie eine höhere Volatilität, im Gegenzug generieren sie in positiven Marktzeiten eine bessere Rendite gegenüber dem Gesamtmarkt. Ebenfalls fanden die Wissenschaftler aber heraus, dass sich diese langfristig positivere Rendite oftmals nur auf sehr wenige Jahre stützt, in denen diese Small Caps eine deutliche Überrendite generierten. Zumindest der Statistik und Geschichte nach, musst du als Anleger solche Small Caps also genau dann schon im Portfolio haben, wenn so ein Ausnahmejahr eintritt, damit eine mittel- und langfristige Überrendite tatsächlich zustande kommen kann.
Ähnlich verhält es sich beispielsweise mit dem Faktor/Filter des geopolitischen Risikos: Wer einen Faktor wählt, der beispielsweise bestimmte Schwellenländer und da vielleicht noch Small Caps abbildet, hat natürlich ein weitaus höheres Risiko als mit einer Investition in den S&P 500 nach Marktkapitalisierung gewichtet übernommen. Das kann in einer Überrendite resultieren, genauso aber auch in höheren Verlusten - und im Regelfall meist zwangsläufig in mehr Volatilität.
Demzufolge sind Faktor-Strategien auch nicht immer zwangsläufig auf "mehr Rendite" ausgelegt. Value- oder Low-Volatility-ETFs beispielsweise haben meist nicht das Ziel die maximale Rendite einzufahren, sondern stattdessen das Risiko des Anlegers bei idealerweise keiner oder nur leicht verminderter Rendite zu reduzieren. Wichtig wäre dann hier, dass das übernommene Risiko signifikant kleiner als die potentiell dadurch reduzierte Rendite ist, damit die Rechnung aus Sicht des Anlegers aufgeht.
Obwohl Faktor ETFs zwar insgesamt "aktiver" als beispielsweise ein Depot mit nur einem All-World-ETF sind, zählen sie dennoch zum passiven Investieren. Aus diesem Grund sind solche Strategien auch immer durch diese Eigenschaften charakterisiert:
- langfristig orientiert
- nach festen Regeln aufgebaut
- evidenzbasierte Auswahl der Filter
- transparente Darstellung der genutzten Faktoren
- ausreichend viele enthaltene Werte, um eine anständige Diversifizierung innerhalb des gewählten Faktors zu gewährleisten
Aus diesem Grund musst du dich als passiver und langfristig orientierter Anleger auch nicht zwangsläufig zwischen einer breitgestreuten, nach Marktkapitalisierung gewichteten (All-World/World, die "klassischen" ETFs) Strategie oder für das Faktor-Investing entscheiden, sondern kannst beides miteinander kombinieren - um beispielsweise mögliche Schwachstellen im Portfolio auszumerzen oder deine Risikoübernahme zu steigern beziehungsweise zu senken.
Erläuterungen zu einigen beliebten Faktoren in der ETF-Welt
Derartige Faktoren werden mittlerweile als Filter für viele verschiedene Kriterien genutzt, es gibt aber auch einige Evergreens. Generell gilt: Je länger ein bestimmter Faktor schon untersucht wird, desto evidenzbasierter ist auch der darauf aufbauende ETF. Das wiederum ist für einen passiven Investor, der sich auf die historischen Untersuchungen zur Entwicklung des Kapitalmarkts verlässt, natürlich ein großer Pluspunkt.
- Fundamentaldaten: Hier können sowohl Faktoren für Growth- als auch Value-Werte existieren, wobei Value-Faktor-ETFs wesentlich weiterverbreitet sind. Als "Value" würden dann nur Aktien erfasst werden, die der Emittent nach vorher ausgewählten und transparent dargelegten Kriterien aktuell als unterbewertet ansieht. Sobald diese Unterbewertung vermeintlich verfliegt, würde auch der Wert nicht mehr in dem Faktor-ETF enthalten sein.
- Unternehmensgröße: Vor allem Small Caps sind beliebt, da die nach Marktkapitalisierung gewichteten World- und All-World-ETFs Unternehmen erst ab einer mittleren Größe erfassen und man so Werte erhält, die noch nicht im Depot vertreten sind.
- Geografie: Das ist ein offensichtlicher Faktor, denn manchmal wollen Anleger nur bestimmten Länder (vor allem Schwellenländer) ins Depot nehmen. Denkbar ist solch eine Faktor-Zusammenstellung auch, wenn man die klassischen EM-ETFs beispielsweise wegen dem hohen China-Anteil nicht nutzen möchte.
- Qualität: Als qualitativ hochwertige Unternehmen erachten Emittenten solche, die mindestens einen nachhaltigen Gewinn erzielen und auch nach anderen Gesichtspunkten sehr gut aufgestellt sind. Typische Voraussetzungen, um als Qualitätsunternehmen zu gelten, sind beispielsweise eine niedrige Schuldenlast bei zugleich angemessen hohen Erträgen und idealerweise weiterhin vorhandenem Wachstum.
- Dividenden: Hier existieren oftmals Überschneidungen zwischen Faktoren wie Qualität und Value. Trotzdem kann die Ausrichtung solcher Faktor-Dividenden-ETFs variieren. Einige bilden Unternehmen mit sehr hohen Dividenden ab, andere die Aristokraten, die ihre Ausschüttungen seit längerer Zeit erhöhen. Ebenso lassen sich weitere Kriterien ansetzen, zum Beispiel ob die Dividende komplett aus dem operativen Cashflow gezahlt werden kann.
Was hat es mit Multi-Faktor-Strategien auf sich?
Prinzipiell sind Multi-Faktor-ETFs eine kleine Weiterentwicklung der bisher erläuterten Faktor-ETFs. Die Eigenheit ist hier, dass diese Multi-Faktor-ETFs, wie ihr Name schon sagt, eben mehrere Faktoren unter einen Hut bringen - man also mit einem ETF mehrere Faktoren erfassen kann, statt sich verschiedene separate ETFs ins Depot legen zu müssen. Das kann vor allem den Aufwand sowie die Transaktionskosten reduzieren, außerdem entfällt dadurch innerhalb der Faktorwerte notwendiges regelmäßiges Rebalancing.
Ein bekannter ETF aus dieser Gruppe ist der iShares Edge MSCI World Multifactor UCITS ETF (ISIN: IE00BZ0PKT83). Er setzt eine Reihe aus Kriterien sowie eine Kombination aus Kapitalzuwachs und Erträgen an. Nachteile lassen sich da aber ebenfalls finden. Mit aktuell rund 73 % ist beispielsweise die USA noch weitaus höher als gewöhnlich gewichtet. Um geografische Klumpenrisiken zu eliminieren, wäre dieses spezifische Produkt also nicht unbedingt geeignet.
Die Komponente des Market-Timings bei Faktor-ETFs
Wir würden behaupten, ein Gros der Anleger sieht auch Faktor-ETFs als passives Investieren an. Es gibt aber ebenso gegensätzliche Meinungen, welche dann argumentieren, dass jeder Faktor irgendwann seine Zeit hat - und die auch irgendwann wieder einmal vorbei ist. Deshalb kann man diese Strategie durchaus auch mit aktivem Handeln und Market-Timing assoziieren. Dazu ein Beispiel: Ist man der Meinung, dass die Small Caps in der aktuellen Korrektur schon sehr stark (zu stark) abgestraft wurden und zumindest bei kleineren Unternehmen schon wieder faire Bewertungsniveaus herrschen, würde man sich einen passenden ETF ins Depot holen. Sobald die Small Caps in einem Bullenmarkt dann aber wieder zulegten, aufgrund ihres höheren Betas, würde man sie mit einer aktiven Handelsstrategie wieder aus dem Depot werfen.
Selbiges gilt natürlich ebenso für hochspezifische Faktoren, wie beispielsweise den Energie- und Ölsektor, der seit jeher zyklisch ist. Auch geografische Faktoren könnten sich lohnen, wenn man da eine generelle Unterbewertung vermutet oder auf eine bestimmte Entwicklung hofft. Bei Momentum-ETFs muss man als Anleger ebenfalls genau hinschauen. Die betreiben meist alle sechs Monate Rebalancing, weshalb sie aktuell zum Beispiel weitaus weniger Tech als noch vor Jahren enthalten, dafür umso mehr Rohstoff- und Energieunternehmen. Wenn sich das Blatt dann einmal wendet, wäre man mit der aktuellen Aufstellung in so einem Momentum-ETF also nicht gut beraten, wenn er bis dahin noch im Depot liegt.
Video: Faktor Investing
Fazit
Faktor-ETFs sind Exchange Traded Funds, die auf einem bestimmten Faktor basieren. Dieser Faktor kann beispielsweise die Volatilität, Liquidität oder Größe eines Unternehmens sein. Faktor-ETFs sind eine gute Möglichkeit, um in bestimmte Unternehmen oder Sektoren zu investieren. Sie können jedoch auch riskant sein und sollten daher nur von erfahrenen Anlegern genutzt werden. Welche Fonds es gibt lässt sich über die ETF Suche ermitteln.
Faktor-ETFs sind eine Art von ETF, die bestimmte Faktoren (wie Wachstum, Value oder Dividenden) tracken. Diese ETFs sind in der Regel thematisch aufgestellt und bieten Anlegern die Möglichkeit, in ein bestimmtes Segment des Marktes zu investieren. Faktor-ETFs sind eine beliebte Wahl für Anleger, die einen aktiven Ansatz bevorzugen. Sie bieten die Möglichkeit, in bestimmte Faktoren zu investieren, die Anleger als attraktiv erachten. Darüber hinaus sind Faktor-ETFs oft kostengünstiger als aktiv gemanagte Fonds.Es gibt jedoch auch Nachteile bei der Investition in Faktor-ETFs. Zum einen sind sie oft volatiler als traditionelle ETFs und können daher riskanter sein. Zum anderen kann es schwierig sein, die richtige Faktor-ETF für Ihre Bedürfnisse zu finden. Es ist wichtig, sorgfältig zu recherchieren, bevor Sie in einen Faktor-ETF investieren.
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