Verstecktes Übergewicht: ETFs untergraben heimlich Diversifikation
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Ein MSCI World ETF suggeriert breite Streuung, doch die Realität ist ein gefährliches US-Tech-Klumpenrisiko. Entlarven Sie die Schein-Diversifikation in Ihrem Depot und erfahren Sie, wie Sie Ihr Vermögen durch kluge Strategien wirklich robust und krisenfest aufstellen.

Die Illusion der 1.600 Aktien
Schauen wir uns den Klassiker an: einen ETF auf den MSCI World Index. Dieser Index wird oft als das Maß aller Dinge für globale Aktieninvestments beworben. Er enthält rund 1.500 Unternehmen aus 23 Industrieländern. Das klingt beeindruckend und suggeriert eine enorme Streuung. Die Krux liegt jedoch in der Methode, nach der die Unternehmen im Index gewichtet werden: die Marktkapitalisierung. Einfach ausgedrückt: Je größer und teurer ein Unternehmen an der Börse ist, desto mehr Platz nimmt es im Index ein.
Diese Logik hat in den letzten Jahren zu einer extremen Konzentration geführt. Die US-Wirtschaft und insbesondere der dortige Technologiesektor sind davongaloppiert. Das Ergebnis ist eine Schieflage, die mit echter globaler Diversifikation nur noch wenig zu tun hat.
Lass uns die Zahlen sprechen:
- USA-Dominanz: Aktuell machen Unternehmen aus den USA rund 70 % des gesamten MSCI World Index aus. Zum Vergleich: Der Anteil der USA am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei etwa 25 %. Dein Investment ist also fast dreimal so stark auf die USA fokussiert wie die reale Weltwirtschaft.
- Tech-Klumpen: Die Top 10 Positionen im MSCI World werden von US-Tech-Giganten wie Apple, Microsoft, Amazon und Nvidia dominiert. Zusammen machen diese wenigen Unternehmen oft mehr als 20 % des gesamten Indexgewichts aus. Das bedeutet, ein Fünftel deines „weltweit gestreuten“ Investments hängt am Gedeihen einer kleinen Gruppe von Unternehmen aus derselben Branche und demselben Land.
- Sektorale Schieflage: Der Technologiesektor beansprucht mit rund 25-30 % den mit Abstand größten Anteil am Index. Traditionelle Sektoren wie Energie, Versorger oder Grundstoffe sind dagegen deutlich unterrepräsentiert.
Im Grunde kaufst du also keinen globalen Korb, sondern einen US-Tech-Fonds mit ein wenig internationaler Dekoration. Das ist nicht per se schlecht – wer in den letzten zehn Jahren dabei war, hat von der Rallye dieser Werte massiv profitiert. Aber es ist ein Risiko. Ein Klumpenrisiko.
Wenn die Party an der Wall Street endet: Dein Depot als Kollateralschaden
Was passiert, wenn die Stimmung an den US-Börsen kippt? Wenn regulatorische Eingriffe den Tech-Sektor treffen oder eine US-spezifische Wirtschaftskrise ausbricht? Dann wird dein breit gestreuter Welt-ETF überproportional stark getroffen. Die soliden Gewinne eines japanischen Automobilherstellers oder eines europäischen Konsumgüterkonzerns können die Verluste der Schwergewichte kaum ausgleichen. Die Diversifikation über 1.500 Aktien wird zur Illusion, wenn zehn davon die Richtung vorgeben.
Dieses Phänomen nennt man „Schein-Diversifikation“. Du fühlst dich sicher, weil du viele Positionen im Portfolio hast, aber in Wahrheit hängt dein Erfolg von denselben wenigen Treibern ab. Es ist, als hätte man eine Fußballmannschaft, in der der Torwart, die Verteidiger und die Mittelfeldspieler alle Lionel Messi heißen. Genial in der Offensive, aber bei einem Konter wird es problematisch.
Ein weiteres Problem: Ein Standard-MSCI-World-ETF lässt einen entscheidenden Teil der Weltwirtschaft komplett außen vor: die Schwellenländer (Emerging Markets). Länder wie China, Indien, Brasilien oder Südkorea, die für einen erheblichen Teil des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich sind, fehlen hier gänzlich. Wer nur auf den MSCI World setzt, ignoriert fast die Hälfte der Weltbevölkerung und dynamische Wachstumsmärkte.
Auch wenn einige Anleger auf den FTSE All-World Index ausweichen, der Schwellenländer inkludiert, löst das das Kernproblem der Konzentration nicht vollständig. Auch hier wiegen die USA und ihre Tech-Giganten extrem schwer, nur eben in einem etwas größeren Teich.
Strategien für echte Diversifikation: Denk über den Tellerrand hinaus
Die gute Nachricht ist: Du musst deinen Welt-ETF nicht sofort verkaufen. Er bleibt ein solides, kostengünstiges Basisinvestment. Aber du solltest ihn als das sehen, was er ist: ein Fundament, auf dem du aufbauen kannst. Hier sind durchdachte Ansätze, um die Schlagseite deines Portfolios zu korrigieren und eine robustere Streuung zu erreichen.
1. Die Lücken füllen: Gezielte Ergänzungen
Die einfachste Methode ist, gezielt in die Bereiche zu investieren, die in deinem Welt-ETF unterrepräsentiert sind. Das ist wie beim Kochen: Du hast eine gute Basis, fügst aber noch Gewürze hinzu, um das Gericht abzurunden.
- Schwellenländer (Emerging Markets): Ein ETF auf den MSCI Emerging Markets Index ist die logischste Ergänzung. Damit holst du dir das Wachstumspotenzial von China, Indien und Co. ins Depot und senkst die Abhängigkeit von den USA. Eine klassische Aufteilung ist 70 % Welt und 30 % Schwellenländer, aber das kannst du an deine eigene Risikoneigung anpassen.
- Small Caps: Die großen Indizes fokussieren sich auf Large Caps – die größten börsennotierten Unternehmen. Small Caps, also kleinere Unternehmen, haben oft ein anderes Wachstumsprofil und reagieren anders auf Marktzyklen. Ein ETF auf Small Caps aus den USA, Europa oder weltweit kann eine hervorragende Diversifikationsquelle sein und die Dominanz der Megakonzerne ausgleichen.
- Regionale Beimischung: Wenn dir der US-Anteil von 70 % zu hoch ist, kannst du ihn gezielt senken, indem du ETFs auf Europa, Japan oder den Pazifikraum beimischst. Das gibt dir mehr Kontrolle über die geografische Gewichtung deines Portfolios.
2. Das Regelwerk ändern: Alternative Gewichtungsmethoden
Wenn du das Problem an der Wurzel packen willst, kannst du ETFs in Betracht ziehen, die nicht nach Marktkapitalisierung gewichten.
Der bekannteste alternative Ansatz ist die Gleichgewichtung (Equal Weight). In einem gleichgewichteten ETF erhält jedes Unternehmen den gleichen Anteil, egal ob es sich um Apple oder ein kleineres Industrieunternehmen handelt. Ein MSCI World Equal Weight ETF investiert also in dieselben Unternehmen, aber die winzige Position 1.500 hat dasselbe Gewicht wie die Position 1. Das reduziert das Klumpenrisiko drastisch. Der Nachteil: In Phasen, in denen die Tech-Giganten den Markt anführen, schneiden diese ETFs schlechter ab und sind oft etwas teurer.
3. Nach Faktoren sortieren: Smart Beta
Eine weitere Option sind Faktor-ETFs. Diese wählen Aktien nicht nach Größe aus, sondern nach bestimmten wissenschaftlich fundierten Merkmalen („Faktoren“), die langfristig eine Überrendite versprechen. Beispiele sind:
- Value: Investiert in unterbewertete Unternehmen.
- Quality: Fokussiert auf Unternehmen mit stabilen Bilanzen und hoher Profitabilität.
- Momentum: Setzt auf Aktien, die sich bereits in einem starken Aufwärtstrend befinden.
Durch die Beimischung von Faktor-ETFs kannst du dein Portfolio-Risiko auf weitere Schultern verteilen und bist weniger von der reinen Marktentwicklung der größten Konzerne abhängig. Dies erfordert jedoch eine tiefere Einarbeitung in die Materie.
Dein Plan für ein kugelsicheres Depot
Theorie ist gut, aber wie gehst du nun konkret vor? Panikverkäufe sind nie eine gute Idee. Stattdessen brauchst du einen klaren, schrittweisen Plan.
- Transparenz schaffen: Kenne dein Investment.
Schau nicht nur auf den Namen deines ETFs. Geh auf die Website des Anbieters (z.B. iShares, Xtrackers) und sieh dir das „Factsheet“ an. Dort findest du die Top 10 Positionen sowie die Länder- und Sektoraufteilung. Werde dir bewusst, wo dein Geld wirklich steckt. - Strategie definieren: Was willst du erreichen?
Bist du mit einem US-Anteil von 70 % zufrieden oder möchtest du dieses Risiko reduzieren? Welche Regionen oder Unternehmensgrößen fehlen in deinem Portfolio? Definiere klare Ziele, zum Beispiel: „Ich möchte meinen US-Anteil auf unter 50 % senken und einen Schwellenländeranteil von 20 % aufbauen.“ - Handeln mit Bedacht: Schrittweise anpassen.
Setze deine Strategie überlegt um. Das kann bedeuten, dass du deine Sparrate vorübergehend auf neue, ergänzende ETFs lenkst oder bei einer größeren Umschichtung die Verkäufe und Käufe planst, um Kosten zu minimieren. Handle nicht aus einer Laune heraus. - Überprüfen und dranbleiben: Ein Prozess, kein Ereignis.
Ein Portfolio ist kein statisches Gebilde. Die Märkte verändern sich. Überprüfe dein Depot ein- oder zweimal im Jahr. Pas_st die Gewichtung noch zu deiner Strategie? Oder hat die starke Performance eines Bereichs wieder ein neues Klumpenrisiko geschaffen? Ein kurzes Rebalancing kann hier Wunder wirken.
Fazit: Nimm das Steuer selbst in die Hand
Standard-Welt-ETFs sind und bleiben ein fantastisches Werkzeug für den Vermögensaufbau. Sie sind aber nicht die narrensichere Einheitslösung, als die sie oft dargestellt werden. Ihre Konstruktion nach Marktkapitalisierung hat ein gefährliches Übergewicht geschaffen, das viele Anleger übersehen.
Echte Diversifikation bedeutet mehr, als nur viele Aktien in einem Fonds zu halten. Es bedeutet, Risiken bewusst über verschiedene Länder, Branchen, Unternehmensgrößen und Strategien zu streuen. Indem du das versteckte Übergewicht in deinem Portfolio erkennst und gezielt gegensteuerst, wandelst du dich vom passiven Mitläufer zum aktiven Gestalter deines finanziellen Erfolgs.
Bleib neugierig, hinterfrage die Standards und bau dir das Depot, das wirklich zu dir passt. Dein zukünftiges Ich wird es dir danken.
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