Russland-Sanktionen durch den Westen: Was droht Anlegern?
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In der Ukraine ist die Situation in den letzten Tagen eskaliert. Beide Seiten haben inoffiziellen Angaben nach hohe Verluste zu beklagen. Abseits der menschlichen Tragödie hat der Krieg auch wirtschaftliche Folgen. Für Anleger, die in russische Werte investiert sind, gleich in mehrerlei Hinsicht.
Der Stand der Dinge: Sanktionen
Die westliche Welt steht vereint gegen Russland. Selbstverständlich die Europäische Union sowie die USA, aber auch Japan und sogar teilweise die Schweiz haben sich den Sanktionen angeschlossen, unterstützen sie oder haben zumindest vergleichbare Sanktionen in Eigenregie auferlegt. Der Zweck dieser ist klar: Russlands Wirtschaft soll ausgehöhlt werden, wie auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ankündigte.
Dafür hat der Westen einen umfangreichen Sanktionskatalog offenbart, der sich aber noch fortlaufend ändert. Neuanpassungen sind ebenso denkbar wie generelle Erweiterungen. Die Effekte dieser Sanktionen sind in Russland längst angekommen. Das Land, das wirtschaftlich sowieso schon sehr schwach aufgestellt war und tatsächlich nicht einmal die Wirtschaftsleistung des viel kleineren Italiens erreichte, steht nun vor einem ökonomischen Abgrund.
Mehrere Sanktionen treffen Russland hart, vor allem aber der teilweise Ausschluss aus dem SWIFT-Zahlungssystem der Banken. Des Weiteren machen sich die Sanktionen, in direkter wie indirekter Art und Weise, an verschiedenen anderen Stellen bemerkbar:
- Ausländische Unternehmen kündigten ihren Rückzug vom russischen Markt an, so beispielsweise BP und Shell, die Gas- und Ölkooperationen de facto beendeten.
- Die Devisen der russischen Zentralbank wurden teilweise nullifiziert, wodurch das Land sowohl einen Liquiditätsengpass als auch eine ruinöse Bonität erlangt.
- Der russische Rubel ist in den letzten Tagen massiv entwertet, was doppelt schwer wiegt, da Russland schon zuvor mit einer hohen inflationsbedingten Entwertung der Landeswährung zu kämpfen hatte.
- Neuinvestitionen in Russland sind aktuell undenkbar, zudem erlitten alle Unternehmen vor Ort, ob gerechtfertigt oder nicht, einen erheblichen Imageverlust und sind im internationalen Wirtschaftsraum beinahe "blacklisted".
Die Börse Moskau reagierte ebenso wie die russische Zentralbank. Letztere hat den Leitzins sprunghaft auf 20 % erhöht, um der weiteren Entwertung des Rubels entgegenzutreten.
Moskaus Börse wollte zunächst am gestrigen Montag verspätet öffnen, dann gar nicht mehr am Tag und nun die komplette Woche nicht mehr. Der Absturz der russischen Unternehmen lässt sich aber auch an ausländischen Börsen, insbesondere in London, nachvollziehen.
Welchen Effekt haben die Sanktionen auf ETF-Anleger?
An dieser Stelle ist zunächst zwischen dem Anleger, der in Russland investiert ist, und dem Anleger, der global oder nur im Westen investiert ist, zu unterscheiden. Der globale Anleger, der lediglich einen World ETF hat, besitzt gar keine russischen Werte. All-World-Investoren und -Besparer hingegen schon, jedoch ist der Anteil schon vor dem Krieg so gering gewesen, dass da kein nennenswerter Effekt auftrat.
Trotzdem leiden die Kapitalmärkte natürlich generell im Krieg. Sowohl der deutsche DAX als auch der S&P 500 oder der NASDAQ sind ein gutes Stück von ihren Rekordständen entfernt, was neben dem Krieg aber auch der hohen Inflation und Sorgen vor Zinserhöhungen geschuldet ist.
Was bedeuten die Sanktionen für Russland-Investoren?
Wer russische Einzelwerte oder Russland ETFs hält, wird den Schaden ohne Zweifel im eigenen Depot festgestellt haben. Die Tragweite ist bei allen börsengelisteten russischen Unternehmen enorm.
Dazu einige Beispiele:
- Gazprom fiel auf Monatssicht um rund 70 %
- Polymetal um rund 65 %
- Sberbank um rund 85 %
Letztere verdienet besondere Beachtung. Zum aktuellen Zeitpunkt sind von den SWIFT-Sanktionen Öl- und Gasunternehmen wie Gazprom ebenso ausgeschlossen wie die Rohstoffförderung von beispielsweise Polymetal. Die ganze Wucht der Sanktionen bekam hingegen das russische Bankensystem zu spüren. Die Sberbank wird lediglich in Moskau und OTC gehandelt.
Da die Börse in Moskau seit Freitag nicht mehr öffnete, lassen sich die Verluste aktuell nur in den OTC-Märkten dokumentieren, wo sie zwischen 80 und 90 % schwanken. Auch eine generelle Insolvenz der Sberbank ist wahrscheinlich, mindestens der ausländischen Tochtergesellschaften. Anleger da stehen also mit großer Wahrscheinlichkeit vor einem Totalverlust.
Generell sind die größten Auswirkungen selbstverständlich die Verluste der russischen Titel. Die Kursverluste sind enorm und wurden seither mit jedem weiteren Kriegstag schwerwiegender, wobei sie sich besonders durch den SWIFT-Ausschluss zuspitzten. Anleger müssen sich nun fragen: Traut man diesen Werten ein Comeback zu, vielleicht in fünf oder zehn Jahren? Oder realisiert man den Verlust? Für einige Anleger dürfte das auch eine moralische Frage darstellen. Ob man staatsnahe Unternehmen wie Gazprom noch weiter unterstützen möchte, nachdem diese nun indirekt einen Angriffskrieg mitfinanzieren.
Positionen abstoßen, De-Listings und Dividenden
Auswirkungen auf den Handel sind vielseitig, ein Ende derer bisher nicht abzusehen. Die aktuellen Auswirkungen sind daher ein Mix aus dem, was schon passiert ist, dem was aktuell gerade passiert und dem, was erst noch kommt.
Sind russische Werte noch handelbar?
Selbst für Anleger, die sich für einen Verkauf entscheiden, ist der gar nicht so einfach. Einige Broker und Handelsplätze bieten keinen oder nur eingeschränkt einen Handel mit russischen Werten an. Teilweise werden die Handelszeiten, wie am letzten Februartag der Fall, erheblich reduziert, da das Market-Maker-Matching das Volumen nicht mehr auffangen kann.
Es ist denkbar, dass einige russische Werte nicht mehr handelbar sind oder es bald nicht mehr sein werden. Wer sich bereits für einen Verkauf entschieden hat, sollte demnach die erstbeste Gelegenheit nutzen, anderenfalls liegt der Titel mitunter auf Monate oder Jahre im Depot - ohne die Verluste daraus steuermindernd realisieren zu können.
Was ist mit Dividenden?
Aufgrund des Ausschlusses aus dem SWIFT-Netzwerk ist sehr wahrscheinlich, dass alle russischen Titel keine Dividende mehr zahlen. Gerade die oftmals hohe Dividende der russischen Titel war für viele Anleger ein ausschlaggebendes Kriterium, das sich nun in Luft auflöste. Bis zur nächsten Dividendenzahlung kann sich aber auch diese Situation ändern. Differenzierungen sind hier ebenfalls vorzunehmen.
Die Sberbank wird mit sehr großer Sicherheit keine Dividende mehr ausschütten können, falls sie nicht bis zum Record Date sowieso schon insolvent ist. Polymetal könnte unter Umständen weiter eine Dividende ausschütten, da die Aktie in Jersey aufgelegt und keine ADR ist, zudem wird das Unternehmen am Hauptmarkt London gehandelt. Gazprom hingegen ist eine ADR und hat als Hauptmarkt Russland. Das macht Dividendenzahlungen erheblich schwieriger, selbst wenn Gas und Öl aktuell von SWIFT-Sanktionen noch ausgeschlossen sind.
Generell ist aufgrund des SWIFT-Ausschlusses aber vorerst davon auszugehen, dass Anleger bis auf Weiteres keine Dividende mehr aus russischen Titeln erhalten werden.
De-Listing Risiko
Das betrifft vor allem ADRs, ganz besonders Gazprom, deren ADR in den USA aufgelegt ist. Es ist durchaus denkbar, dass solche ADRs verschwinden. Entweder werden sie von den USA de-listed oder, was ebenso denkbar ist, Russland verstaatlicht das Unternehmen kurzerhand. Letzteres würde einem Totalverlust gleichkommen, ein De-Listing einem weiteren massiven Kursverfall, theoretisch könnte die Aktie aber beispielsweise OTC handelbar bleiben.
Wie verfahren Anleger nun weiter?
Einige Nebeneffekte für Anleger, die nicht in Russland investiert sind, gab es natürlich ebenso. Vor allem Militärunternehmen verzeichneten in den letzten Tagen einen erheblichen Kursanstieg, ganz besonders auch die Deutschen, aufgrund des Versprechens die Verteidigungsausgaben erheblich zu steigern. Viele Ölwerte, solche für alternative Energien oder beispielsweise Uranförderer hatten ebenso hohe Kursanstiege. Auch hier geht voraus, dass sich der Westen zusehends unabhängig vom russischen Gas und Öl machen möchte.
Anleger mit russischen Titeln oder ETFs stehen mit sehr großer Sicherheit über Jahre in den roten Zahlen. Die Situation wird sich kaum sprunghaft verändern, der Vertrauensverlust in Russland ist enorm. Wer halten möchte, kann sich vielleicht in fünf oder zehn Jahren wieder Hoffnung machen.
Selbiges gilt auch für sehr risikowillige Anleger. Das Geschäftsmodell einer Sberbank ist sicherlich nun kaputt, nicht aber das von einem Gazprom oder Polymetal. Diese Unternehmen verdienen weiterhin viel Geld, ihre oftmals hohen Schulden, in dem Sektor nicht ungewöhnlich, werden durch den Rubel zudem entwertet, während ihr Exportgeschäft als größter Teil des Unternehmens sowieso in Auslandswährungen abgewickelt wird. Trotzdem sollten sich Anleger, die jetzt auf russische Schnäppchenjagd gehen, bewusst darüber sein, dass ein Totalverlust wahrscheinlich ist.
Wer seine Titel verkaufen mag oder überhaupt verkauft bekommt, füllt zumindest den steuermindernden Verlusttopf. Sollte es aber in den nächsten Jahren zur West-Ost-Versöhnung kommen, hätten diese Anleger wohl aber am vorläufigen Tiefpunkt verkauft.
Fazit: Russische Werte aktuell mental abschreiben
Die Situation wird sich kurzfristig nicht erholen, ebenso wenig russische Aktien. Was noch handelbar ist, könnte kurzfristig aus dem Depot fliegen - oder man hofft auf einen langfristigen Rebound. Dividenden dürfen Anleger wohl abschreiben, so lange weiterhin die SWIFT-Sanktionen existieren. Bei einigen Werten ist ein Totalverlust wahrscheinlicher als bei anderen, auch das gilt es zu berücksichtigen - vor allem dann, wenn aufgrund einer irregulären Verstaatlichung der Verlust nicht mal steuermindernd eingesetzt werden kann.
Für viele Anleger dürfte es daher, insbesondere mental, die beste Lösung sein die Werte abzuschreiben - entweder irgendwie, irgendwo noch verkaufen oder mental aus dem Depot ausblenden. Die Zeiten der hohen Dividenden und positiven Wertentwicklungen in Russland sind vorerst definitiv abgelaufen.
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