EU-Kommission wird zur Gefahr für Neobroker: Gebührenmodell soll verboten werden
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Insbesondere deutsche Fin-Techs schauten zuletzt gespannt in Richtung Brüssel. Da wird das umstrittene, aktuell genutzte Gebührenmodel kritisch diskutiert - und auch ein Verbot ins Spiel gebracht. Das würde sich sowohl auf die Neobroker selbst als auch auf ihre angebundenen Marktplätze auswirken.
Warum sind von den Gesetzesentwürfen Neobroker betroffen?
Neobroker sind insbesondere bei jüngeren Anlegern beliebt - und das gleich aus mehreren Gründen. Auch wenn sich einige davon mittlerweile klassisch im Browser am Rechner nutzen lassen, haben sie ihre Ursprünge doch auf mobilen Endgeräten. Von überall aus am Smartphone traden oder investieren, galt lange Zeit als großes Steckenpferd der Neobroker. Eine einfache, einsteigerfreundliche Benutzeroberfläche war den Brokern beim Zugewinn von Marktanteilen und jungen Anlegern hilfreich, noch größeren Wert darf man aber ihren besonders günstigen Gebührenmodellen zusprechen.
Aktien & ETFs günstig traden bei Scalable CapitalWährend beim klassischen Bankbroker oftmals relativ hohe Gebühren anfallen, in der Regel mindestens in Höhe von 10 Euro, bei den meisten Brokern mit einer Höchstgrenze von etwa 45 oder 50 Euro, arbeiten Broker wie Trade Republic oder Scalable Capital weitaus kostengünstiger. Trades da kosten oft nur einen einzigen Euro, manchmal sind sie sogar ganz kostenfrei - zum Beispiel mit einem "Trading-Abo", bei dem Anleger einen relativ geringen Festpreis zahlen. Diese Gebührenstruktur verhalf Trade Republic und Co. innerhalb kürzester Zeit zu Millionen von Kunden - der EU-Kommission ist sie hingegen ein Dorn im Auge.
Warum ist das Vergütungsmodell von Neobrokern problematisch?
Ihre günstigen Gebühren können solche Broker nicht unbedingt deshalb anbieten, weil sie schlankere Unternehmensstrukturen und keinerlei Filialnetz haben - auch wenn beides definitiv eine Rolle spielt. Hauptsächlich verdienen diese Broker eben nicht mit den eigentlichen Handelsgebühren ihrer Kunden, sondern mit den angeschlossenen Marktplätzen Geld. Das Prinzip nennt sich in der Praxis "Payment for Orderflow" (kurz: PFOF).
Wie finanztreff berichtet, sieht der Gesetzesentwurf der EU ein Verbot des PFOF vor. Und das ohne Ausnahme.
Aber wie genau funktioniert PFOF und was ist daran problematisch? Aus der Bezeichnung "Payment for Orderflow" lässt sich schon schließen, wie das Prinzip praktisch funktioniert. Broker wie beispielsweise Trade Republic leiten die Trades ihrer Kunden an bestimmte Hochfrequenzhändler und/oder Market Maker weiter, welche diese "Weiterleitung" im Gegenzug dem Broker vergüten. Für die Hochfrequenzhändler und Market Maker ist das ein lukratives Geschäft, auch wenn sie an den Broker zahlen. Sie bekommen so nicht nur wertvolle Informationen über das Handelsverhalten von Privatanlegern, sondern auch eine gewisse Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Kurse.
Market Maker und Hochfrequenzhändler sind wichtige Säulen des Kapitalmarktes. Sie stellen sicher, dass der gewöhnliche Anleger immer einen festen Handelspartner hat, der seine Aktien kauft (oder sie ihm wiederum verkauft). Market Maker verdienen ihr Geld in unzähligen kleinen Beträgen, indem sie sich den Spread zu Nutze machen. Speziell in volatilen Zeiten ist das ein gutes Geschäft, aber auch abseits davon lohnt sich dieses Vorgehen für Market Maker - anderenfalls würde es sie nicht geben und die Liquidität am Kapitalmarkt würde sich rapide reduzieren.
Eine Studie im Auftrag von Trade Republic zeigt, dass das bisherige Modell ein Win-Win für Neobroker und Kunden ist:
Die Auswertung von zwei Millionen Transaktionen zeigt, dass Kunden bei einer Vielzahl von Transaktionen zu besseren Kursen als auf dem Referenzmarkt handeln. Damit sparen Trade Republic Kunden im Schnitt 52 Cent je 1.000 Euro Order. Hochgerechnet auf die letzten zwölf Monate haben die Kunden somit über 6 Millionen Euro durch bessere Kurse verglichen mit XETRA gespart.
(Quelle: DGAP)
Wird Payment for Orderflow (PFOF) bald verboten?
Die EU-Kommission stößt sich weniger daran, wie Market Maker ihr Geld verdienen, sondern mehr daran, welche Rolle der Kunde bei den Neobrokern spielt. Der Kunde wird bei diesen effektiv zum Produkt, das die Neobroker den Market Makern verkaufen. Speziell stößt sich die EU daran, dass Kunden dadurch nicht immer die bestmöglichen Kurse erhalten und außerdem eine generelle Intransparenz entsteht. Anders als bei traditionellen Bank-Brokern, können Kunden von Neobrokern nicht selbständig das Orderbuch befüllen, da der ausführende Handelspartner ja immer der Market Maker selbst ist. Sie sind damit also zwangsläufig auf die Kurse angewiesen, die eben dieser Market Maker ihnen stellt.
Das Vorgehen dieser Market Maker selbst ist nicht verwerflich, die EU-Kommission strebt auch kein Verbot dieser an. Stattdessen begründen die Verantwortlichen in Brüssel ihr Vorgehen so: Neobroker geraten damit in eine Situation, in der mitunter nicht mehr der Kunde selbst optimal bedient wird. Stattdessen schleusen Trade Republic und Co. die Trades der Kunden zu dem Handelsplatz/Market Maker, wo sie am meisten Geld für diesen Trade erhalten - auch wenn der Kunde mitunter an anderer Stelle bessere Kurse erhalten würde. Auch wenn er keine Gebühren für den Trade zahlt, zahlt er so also mitunter mehr für die Aktie oder den ETF, als er eigentlich müsste - oder erhält weniger beim Verkauf, als er eigentlich könnte.
Für Neobroker entsteht damit eine unvorteilhafte Situation. Wenn sie kaum oder gar keine Trading-Gebühren erheben und zeitgleich, nach dem Verbot, nicht mehr vom Market Maker oder Handelsplatz für die übermittelten Trades vergütet werden, haben sie am Ende de facto so gut wie gar keine Umsätze. Eben darum könnte solch ein Verbot der EU-Kommission für Trade Republic und Co. durchaus existenzgefährdend sein.
Klassische Broker wären die Gewinner
Rückvergütungen erhalten natürlich auch klassische Broker, bei denen machen sie aber nicht das Geschäftsmodell, sondern nur einen kleinen Teil der Umsätze aus. Würden die Neobroker nicht mehr ihre Nullpreispolitik fahren, könnten aber eben klassische Broker mit einem weiteren Kundenzulauf rechnen, der die durch das Verbot von PFOF entfallenen Umsätze mehr als locker ausgleicht.
Das Dokument der EU-Kommission enthält einige wichtige Eckpunkte und Informationen, die wir dir hier kompakt wiedergeben möchten:
- Nach Ansicht der EU fehlt Anlegern bei Neobrokern die Vergleichsmöglichkeit für Kurse.
- Das ist von Trade Republic und Co. nach Auffassung der EU so gewollt, damit diese die Trades dahin leiten, wo sie eine höhere Rückvergütung erhalten
- Die Ineffizienzen für Anleger würden sich im Aktienhandel nach einer Studie aus Brüssel auf 10,6 Milliarden Euro pro Jahr beziffern.
- Das bedeutet also, Anleger kaufen zu teuer oder verkaufen zu billig, die Differenz zum eigentlichen fairen Kursniveau für alle Handelsplätze beträgt 10,6 Milliarden Euro p.a.
Grüne und Trade Republic kritisch
Christian Hecker, einer der Mitgründer vom Neobroker Trade Republic, gab sich im Handelsblatt kritisch. Er bemängelt, dass ein Verbot von PFOF zu einem reduzierten Wettbewerb zwischen den Handelsplätzen führen würde, was wiederum nicht im Sinne von Anlegern ist. Ebenfalls kritisch äußerte sich Sven Giegold von den Grünen. Er bemängelt, dass dem Kleinanleger mit solch einem Verbot eine wichtige Möglichkeit genommen wird, um möglichst kosteneffizient am Kapitalmarkt zu agieren. Speziell Anleger mit kleinem Kapital profitieren von den nicht vorhandenen oder sehr niedrigen Gebühren der Neobroker. Außerdem bemängelte Giegold, dass damit intransparent agierende Handelsplattformen und Institutionelle mit Darkpools weiterhin verschont bleiben.
EU nicht allein in ihrer Sichtweise
Der geplante Gesetzesentwurf der EU ist nicht revolutionär. Tatsächlich war es zuvor die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission) die ebenfalls ein Verbot von PFOF prüfte. Das würde dann wiederum den in den USA sehr weitverbreiteten Neobroker Robin Hood treffen, der in Deutschland aber (bisher) keinen Markt hat.
Die Situation ist damit klar:
- Neobroker fürchten massive Umsatzeinbrüche und eine Gefährdung ihres Geschäftsmodells
- Klassische Broker könnten durch dann notwendige Gebührenerhöhungen bei Neobrokern regen Kundenzulauf erhalten
- Market Maker und Handelsplätze wollen an dem Modell festhalten, da sich für sie ein offensichtlicher Vorteil ergibt
Brüssel muss nun abwiegen: Erhalten Anleger mehr Vorteile durch Kurs-Transparenz oder mehr Vorteile durch Kurs-Intransparenz, dafür aber niedrige Gebühren von Neobrokern.
Einig sind sich alle beteiligten Parteien dafür in einer anderen Sache. Die EU will ein "consolidated tape" einführen. Gemeint ist damit ein Verzeichnis, das alle Transaktionen und Kurse auf dem europäischen Markt erfasst und für jeden Anleger eingesehen werden darf. So sollen Kursbildungsineffizienzen offensichtlich werden, auch würde sich das Potential von Arbitragegeschäften automatisch verringern. Nach aktuellen Plänen soll für jede Anlageklasse ein separates "Tape" eingeführt werden. Unabhängig davon, würde solch ein Tape bei einem Verbot von PFOF aber keinerlei Hilfe für möglicherweise bedrängte Neobroker sein.
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