Irrationalität an der Börse: ETFs als Schutz vor menschlichen Denkfehlern

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Verlustaversion, Herdentrieb, Selbstüberschätzung: Unser Gehirn ist an der Börse ein katastrophaler Berater. Systematische Denkfehler kosten uns Rendite. Doch es gibt eine einfache Strategie, wie Sie Ihren größten finanziellen Feind überlisten können: sich selbst.

Irrationalität an der Börse: ETFs als Schutz vor menschlichen Denkfehlern

Der Feind im Spiegel: Warum dein Gehirn kein guter Fondsmanager ist

Die Verhaltensökonomik (Behavioral Finance) hat in den letzten Jahrzehnten eindrucksvoll bewiesen, dass wir an der Börse alles andere als rationale Akteure sind. Unsere Entscheidungen werden von systematischen Denkfehlern, sogenannten „kognitiven Verzerrungen“, beeinflusst. Diese Fehler sind keine Einzelfälle, sondern tief in unserer Psychologie verankert. Sehen wir uns die größten Spielverderber einmal genauer an.

  1. Verlustaversion: Der Schmerz des Verlusts
    Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman hat es auf den Punkt gebracht: Verluste schmerzen uns etwa doppelt so stark, wie uns Gewinne freuen. Ein Verlust von 1.000 Euro fühlt sich emotional so schlimm an wie ein entgangener Gewinn von 2.000 Euro. In der Praxis führt das zu irrationalem Verhalten. Wir halten an fallenden Aktien fest, in der verzweifelten Hoffnung, „zumindest wieder bei null rauszukommen“. Gleichzeitig verkaufen wir Gewinner-Aktien viel zu früh, nur um den kleinen Gewinn zu sichern. Das Ergebnis ist eine Strategie, die systematisch Verluste maximiert und Gewinne limitiert – das genaue Gegenteil von dem, was man tun sollte.
  2. Herdenverhalten: Mit der Masse in den Abgrund
    Menschen sind soziale Wesen. Wir orientieren uns daran, was andere tun. Das gibt uns Sicherheit. An der Börse ist dieser Instinkt fatal. Steigen die Kurse, springen immer mehr Anleger auf den Zug auf, aus Angst, etwas zu verpassen (FOMO – Fear Of Missing Out). Das treibt die Kurse in absurde Höhen und schafft Blasen, wie wir sie bei der Dotcom-Krise um 2000 oder bei manchen Hype-Aktien der letzten Jahre gesehen haben. Bricht die Panik aus, passiert das Gleiche in die andere Richtung. Alle wollen gleichzeitig durch dieselbe Tür. Der Corona-Crash im März 2020 war ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie schnell eine Herde in Panik geraten kann. Wer der Herde folgt, kauft teuer und verkauft billig.
  3. Selbstüberschätzung: Der Möchtegern-Buffett
    Die meisten Autofahrer halten sich für überdurchschnittlich gute Fahrer. An der Börse ist es nicht anders. Viele Privatanleger glauben, sie könnten den Markt schlagen, die nächste Top-Aktie finden oder den perfekten Zeitpunkt für den Ein- und Ausstieg vorhersagen. Doch die Daten sprechen eine klare Sprache: Market Timing funktioniert auf lange Sicht nicht. Und bei der Aktienauswahl haben selbst professionelle Fondsmanager größte Mühe. Diese Selbstüberschätzung führt zu übermäßigem Handeln (Trading), was vor allem hohe Kosten verursacht und die Rendite auffrisst.
  4. Ankereffekt: Die Macht der ersten Zahl
    Unser Gehirn neigt dazu, sich an die erste Information zu klammern, die es erhält. An der Börse ist das oft der Kaufkurs einer Aktie. Fällt der Kurs, empfinden wir jeden Preis unter unserem Einstiegskurs als „billig“, auch wenn sich die fundamentalen Aussichten des Unternehmens dramatisch verschlechtert haben. Der ursprüngliche Kaufpreis wird zum Anker, der unser Urteil trübt und uns daran hindert, eine rationale Verkaufsentscheidung zu treffen.

Die System-Lösung: Wie ETFs dein Gehirn überlisten

Wenn unser Gehirn also derart anfällig für teure Fehler ist, wie können wir uns davor schützen? Die Antwort liegt nicht darin, emotional zu einem Roboter zu werden, sondern darin, ein Anlagesystem zu nutzen, das Emotionen weitgehend aus dem Spiel nimmt. Ein passiver, regelbasierter Ansatz mit ETFs ist genau das.

Ein ETF (Exchange Traded Fund) ist im Grunde ein Korb voller Aktien, der einen bestimmten Marktindex, wie den MSCI World oder den DAX, eins zu eins abbildet. Statt zu versuchen, die Nadel im Heuhaufen zu finden, kaufst du einfach den ganzen Heuhaufen. Dieser simple Ansatz ist eine unglaublich effektive Waffe gegen unsere psychologischen Schwächen.

ETFs gegen Selbstüberschätzung: Du musst nicht mehr den Markt schlagen, weil du der Markt bist. Die Frage, ob Aktie A besser ist als Aktie B, stellt sich nicht mehr. Du investierst automatisch in Hunderte oder Tausende von Unternehmen gleichzeitig. Das schützt dich nicht nur vor der eigenen Fehleinschätzung, sondern auch vor dem Risiko, dass ein einzelnes Unternehmen pleitegeht. Die breite Diversifikation ist dein eingebauter Schutzschild.

ETFs gegen Herdentrieb: Mit einem ETF auf einen breiten Marktindex bist du immer investiert. Du rennst keiner Herde hinterher, weil du bereits Teil des gesamten Marktes bist. Wenn Tech-Aktien boomen, bist du dabei. Wenn danach Value-Titel ein Comeback feiern, bist du ebenfalls dabei. Dein Portfolio passt sich automatisch den Marktbewegungen an, ohne dass du hektisch handeln musst.

Autopilot an: Der Sparplan als ultimativer Disziplin-Hack

Der vielleicht größte Vorteil von ETFs für Privatanleger ist die Möglichkeit, sie per Sparplan zu besparen. Ein ETF-Sparplan ist die konsequenteste Form, menschliche Emotionen aus dem Investmentprozess zu verbannen. Du legst einmalig eine monatliche oder quartalsweise Sparrate fest – zum Beispiel 200 Euro – und der Rest läuft vollautomatisch.

Jeden Monat wird dein Geld investiert, egal was an der Börse passiert. Egal, ob die Kurse gerade steigen oder fallen. Egal, ob die Nachrichten von Euphorie oder Panik geprägt sind. Dieser Autopilot hat zwei entscheidende psychologische Vorteile:

  1. Er zwingt dich zur Disziplin: Die größte Hürde für Anleger ist es, dranzubleiben, wenn es ungemütlich wird. Ein Sparplan nimmt dir diese Entscheidung ab. Er investiert auch dann, wenn dein Bauchgefühl schreit: „Verkauf alles!“. Damit umgehst du die Verlustaversion und den panischen Herdentrieb.
  2. Er nutzt den Cost-Average-Effekt: Indem du regelmäßig einen festen Betrag investierst, kaufst du bei niedrigen Kursen automatisch mehr Anteile und bei hohen Kursen weniger. Über die Zeit glättet das deinen durchschnittlichen Einstiegspreis und du profitierst von Kursschwankungen, anstatt ihnen zum Opfer zu fallen.

Ein Sparplan ist also mehr als nur eine bequeme Art zu sparen. Er ist ein ausgeklügeltes System, das dich vor dir selbst schützt.

Zahlen statt Bauchgefühl: Die harte Evidenz für passives Investieren

Die Idee, dass ein einfacher, passiver Ansatz besser sein soll als die ausgeklügelten Strategien von hochbezahlten Experten, klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Doch die Daten sind überwältigend.

Jahr für Jahr zeigen Studien, dass die große Mehrheit der aktiv gemanagten Fonds es nicht schafft, ihren Vergleichsindex zu schlagen. Über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren scheitern oft über 80 % der Fondsmanager an dieser Aufgabe. Der Grund sind nicht nur die höheren Kosten aktiver Fonds, sondern eben auch menschliche Fehlentscheidungen aufseiten der Manager. Wenn die Profis es schon nicht schaffen, warum solltest du als Privatanleger darauf wetten?

Diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch. Der ETF-Markt boomt seit Jahren. Allein in Deutschland ist das in ETFs investierte Vermögen bis Mitte 2025 auf weit über eine Billion Euro angewachsen. Immer mehr Anleger verstehen, dass langfristiger Erfolg nicht durch hektisches Handeln, sondern durch diszipliniertes, breit gestreutes und kostengünstiges Investieren entsteht. ETFs sind das perfekte Vehikel dafür.

Kein Allheilmittel: Wo auch ETFs an ihre Grenzen stoßen

Bei all den Vorteilen ist es wichtig, realistisch zu bleiben. ETFs sind kein magisches Werkzeug, das jedes Risiko aus der Welt schafft. Das Marktrisiko bleibt. Wenn die globalen Aktienmärkte um 30 % einbrechen, wird auch dein ETF-Portfolio entsprechend an Wert verlieren. Der Unterschied ist, dass ein breit gestreuter Markt-ETF sich historisch gesehen immer wieder erholt hat, während eine einzelne abgestürzte Aktie das vielleicht nie tut.

Zudem schützt ein ETF nicht davor, dass der Anleger selbst irrational handelt. Wer in Panik seinen gesamten ETF-Sparplan auflöst, macht denselben Fehler wie ein Aktienanleger. Auch das Jagen von kurzfristigen Trends mit Nischen- oder Themen-ETFs kann die Vorteile der passiven Strategie untergraben. Ein ETF auf „Cannabis-Aktien“ oder „Metaverse-Unternehmen“ ist oft nur eine neue Form des Stock Pickings und widerspricht der Idee der breiten Diversifikation.

Der Schlüssel liegt darin, einen ETF auf einen globalen Index als Basisinvestment zu nutzen und diesem über Jahrzehnte treu zu bleiben – durch alle Marktphasen hindurch.

Fazit: Dein Weg zum rationalen Investor

Die größte Herausforderung an der Börse ist nicht, den nächsten Tenbagger zu finden oder den Markt zu timen. Die größte Herausforderung ist, die eigenen Emotionen und angeborenen Denkfehler im Griff zu behalten. Irrationalität ist menschlich und wird immer ein Teil des Marktes sein.

Du kannst sie aber für dich nutzen, anstatt ihr zum Opfer zu fallen. Indem du ein System etablierst, das dich zu rationalem Handeln zwingt, kannst du die Fehler der anderen zu deinem Vorteil machen. ETFs, insbesondere in Form eines Sparplans, bieten genau dieses System. Sie stehen für Diversifikation, Disziplin und eine konsequente Langfrist-Perspektive.

Der erste Schritt zum besseren Investor ist die Erkenntnis, dass wir alle anfällig für psychologische Fallen sind. Der zweite Schritt ist die Wahl des richtigen Werkzeugs, um diese Fallen zu umgehen. Deine finanzielle Zukunft wird es dir danken.

Unser Tipp: Bei Scalable Capital kannst Du rund 2000 ETFs von iShares, Lyxor, Xtrackers, WisdomTree und Amundi von 7:30 bis 23 Uhr für nur 0,99 € handeln und dauerhaft kostenlos besparen. Monatliche Sparraten schon ab 1 €.

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