Allokations-Philosophien für ETF-Portfolios: Mehr als Marktkapitalisierung

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Standard-ETFs wie der MSCI World gewichten nach Marktkapitalisierung und schaffen so US-Klumpenrisiken. Entdecken Sie intelligentere Alternativen wie Equal Weight oder Faktor-Investing, um Ihr Portfolio breiter aufzustellen und potenziell robuster zu machen.

Allokations-Philosophien für ETF-Portfolios: Mehr als Marktkapitalisierung

Der Elefant im Raum: Die Dominanz der Marktkapitalisierung

Bevor wir in die Alternativen eintauchen, müssen wir den Platzhirsch verstehen. Ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Index wie der MSCI World investiert proportional zur Größe der Unternehmen. Ein Konzern mit einem Börsenwert von 2 Billionen US-Dollar erhält doppelt so viel Gewicht wie ein Unternehmen mit 1 Billion US-Dollar. Klingt fair, oder? Schließlich spiegelt das die aktuelle Einschätzung des Marktes wider.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Geringe Kosten: Die Strategie ist einfach umzusetzen, was zu sehr niedrigen Gebühren bei den ETFs führt (TER oft unter 0,2 %).
  • Geringer Umschlag: Da sich die Gewichte organisch mit den Kursen ändern, muss der ETF-Anbieter nur selten Aktien kaufen oder verkaufen. Das spart Transaktionskosten und Steuern im Fonds.
  • Effizienz: Du investierst in die Gewinner von gestern und heute. Der Markt hat entschieden, dass diese Unternehmen am wertvollsten sind.

Doch diese Einfachheit hat ihren Preis. Das Hauptproblem ist die Konzentration. Aktuell machen US-Aktien oft über 70 % eines MSCI World ETFs aus. Der Technologiesektor dominiert. Das ist keine bewusste Wette auf die USA oder Tech, sondern einfach das Ergebnis der Methode. Du kaufst im Grunde das, was bereits teuer ist, und hoffst, dass es noch teurer wird. Diese Strategie ist pro-zyklisch und kann Blasenbildungen verstärken. Wenn du also einen marktbreiten ETF kaufst, investierst du nicht wirklich "in die Weltwirtschaft", sondern vor allem in die größten börsennotierten Konzerne der USA.

Den Kuchen anders schneiden: Alternative Allokations-Philosophien

Wenn dir die Vorstellung eines Portfolios, das so stark von wenigen Namen abhängt, Unbehagen bereitet, gibt es intelligentere Wege, Diversifikation zu erreichen. Hier sind die prominentesten Ansätze, die über die reine Größe hinausgehen.

1. Gleichgewichtung (Equal Weight): Demokratie im Depot

Die einfachste Alternative ist die radikalste: Was, wenn jedes Unternehmen die gleiche Stimme – also das gleiche Gewicht – im Portfolio bekommt? Bei einem S&P 500 Equal Weight ETF würde Apple genauso viel von deinem Geld erhalten wie das 500. Unternehmen im Index, nämlich genau 0,2 %.

Diese demokratische Herangehensweise hat einen entscheidenden Effekt: Sie reduziert das Gewicht der Mega-Caps und gibt kleineren und mittelgroßen Unternehmen (Mid und Small Caps) systematisch mehr Raum. Historisch betrachtet haben kleinere Unternehmen langfristig oft eine höhere Rendite erzielt als die ganz Großen (der sogenannte "Size"-Faktor). Ein gleichgewichteter Ansatz nimmt diese Prämie automatisch mit. Der Nachteil: Um die gleichen Gewichte beizubehalten, muss der ETF regelmäßig umschichten (Rebalancing). Er verkauft Aktien, die gut gelaufen sind, und kauft die, die zurückgeblieben sind. Das führt zu etwas höheren Kosten und einem höheren Umschlag, ist aber im Kern eine antizyklische Strategie.

2. BIP-Gewichtung: Investieren in die reale Wirtschaftskraft

Eine weitere spannende Idee stellt die Frage: Warum sollte die Größe der Börse eines Landes entscheidend sein und nicht seine tatsächliche Wirtschaftskraft? Bei der BIP-Gewichtung werden Länder nicht nach ihrer summierten Marktkapitalisierung, sondern nach ihrem Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) gewichtet.

Das Ergebnis ist ein deutlich anderes Weltbild. Die USA, die an der Börse dominieren, haben einen geringeren Anteil, während große Volkswirtschaften mit (noch) kleineren Aktienmärkten wie China oder Indien stärker gewichtet werden. Du investierst also stärker in das ökonomische Potenzial und weniger in die bereits hoch bewerteten Märkte. Dieser Ansatz bildet die globale Wirtschaftsleistung besser ab, ist aber auch kein Allheilmittel. Die Wirtschaftsleistung eines Landes korreliert nicht immer 1:1 mit den Gewinnen seiner börsennotierten Unternehmen.

3. Faktor-Investing: Die Suche nach den Treibern der Rendite

Dies ist der wissenschaftlich fundierteste Ansatz. Die Finanzmarktforschung hat über Jahrzehnte hinweg bestimmte Merkmale – sogenannte "Faktoren" – identifiziert, die langfristig für eine Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt verantwortlich sein können. Anstatt blind in den ganzen Markt zu investieren, konzentrierst du dich auf Aktien mit diesen nachgewiesenen Eigenschaften.

Die wichtigsten Faktoren sind:

  1. Value: Investiere in Unternehmen, die im Verhältnis zu ihren fundamentalen Kennzahlen (Gewinn, Buchwert, Cashflow) günstig bewertet sind. Die simple Idee: Kaufe unterbewertete Substanz.
  2. Size: Kleinere Unternehmen haben historisch gesehen ein höheres Renditepotenzial als die Riesen.
  3. Quality: Bevorzuge Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen, hoher Profitabilität und geringer Verschuldung. Diese "Qualitätsunternehmen" sind oft widerstandsfähiger in Krisen.
  4. Momentum: Setze auf Aktien, die in der jüngeren Vergangenheit einen starken positiven Kurstrend aufwiesen. Die Logik: Trends neigen dazu, sich eine Weile fortzusetzen.
  5. Minimum Volatility: Wähle Aktien, die historisch geringere Kursschwankungen aufwiesen. Das Ziel ist nicht die maximale Rendite, sondern eine bessere risikoadjustierte Rendite und ein ruhigeres Depot.

Ein reines Faktor-Portfolio ist komplexer, aber es gibt sogenannte Multifaktor-ETFs, die versuchen, mehrere dieser Prämien gleichzeitig zu ernten. Sie bieten eine breite Diversifikation über verschiedene Renditetreiber hinweg und sind eine der durchdachtesten Alternativen zur Marktkapitalisierung.

Risk Parity: Die Kunst der Balance

Eine nochmals andere Philosophie, die eher aus der institutionellen Ecke stammt, ist Risk Parity. Berühmt gemacht durch Ray Dalios "All Weather"-Portfolio, liegt der Fokus hier nicht auf der Allokation von Kapital, sondern auf der Allokation von Risiko.

Ein klassisches 60/40-Portfolio (60 % Aktien, 40 % Anleihen) mag auf dem Papier diversifiziert aussehen, doch in der Realität stammen oft über 90 % des Portfoliorisikos allein von den Aktien. Anleihen tragen kaum zum Risiko bei. Risk Parity dreht das um: Jede Anlageklasse soll den gleichen Beitrag zum Gesamtrisiko des Portfolios leisten. Um das zu erreichen, werden schwankungsarme Anlagen wie Anleihen gehebelt, um ihr Risiko (und ihre erwartete Rendite) auf das Niveau von Aktien zu heben. Das Ziel ist ein Portfolio, das in unterschiedlichen Wirtschaftsphasen (Wachstum, Rezession, Inflation, Deflation) stabil performt.

Für Privatanleger ist eine reine Risk-Parity-Strategie mit Hebel schwer umsetzbar. Aber die Philosophie dahinter ist wertvoll: Denke nicht nur darüber nach, wie du dein Geld verteilst, sondern auch, woher die Risiken in deinem Depot wirklich kommen. Ein Portfolio, das Aktien, Anleihen, Gold und Rohstoffe so kombiniert, dass die Risiken ausbalanciert sind, kann deutlich robuster sein als ein reines Aktienportfolio.

Die Praxis: Wie du das für dein Portfolio umsetzen kannst

Theorie ist gut, Praxis ist besser. Du musst dein bewährtes MSCI-World-Portfolio nicht über Bord werfen. Eine beliebte und pragmatische Methode ist der Core-Satellite-Ansatz.

Dein "Core" (Kern) bleibt ein günstiger, marktbreiter ETF nach Marktkapitalisierung. Er bildet die Basis. Um diesen Kern herum baust du "Satellites" (Satelliten) aus alternativen Strategien auf. Du könntest zum Beispiel:

  • 10-20 % in einen Equal Weight ETF investieren, um das Gewicht der Mega-Caps zu reduzieren und den Size-Faktor zu nutzen.
  • 10-20 % in einen Multifaktor-ETF anlegen, um systematisch von den Prämien wie Value und Quality zu profitieren.
  • 5-10 % in einen Minimum Volatility ETF geben, um die Gesamtschwankungen deines Portfolios zu dämpfen.

So kombinierst du das Beste aus beiden Welten: die günstigen Kosten und die Einfachheit des Kerninvestments mit den intelligenten Ansätzen der Satelliten. Du nimmst eine bewusste Wette auf bestimmte Faktoren oder Strategien vor, ohne dein gesamtes Depot umzukrempeln.

Dein Portfolio, deine Philosophie

Am Ende des Tages gibt es nicht die eine, perfekte Allokations-Philosophie. Die Marktkapitalisierung ist der passive Standard – du akzeptierst die Rendite des Marktes, nicht mehr und nicht weniger. Das ist eine absolut valide und für viele Anleger die beste Strategie.

Die Alternativen sind für diejenigen, die einen Schritt weiter gehen wollen. Sie erfordern eine bewusste Entscheidung und die Überzeugung, dass Faktoren wie Value, eine gleichere Gewichtung oder die Fokussierung auf reale Wirtschaftskraft langfristig einen Mehrwert liefern. Diese Ansätze sind keine Garantie für eine höhere Rendite, aber sie sind eine durchdachte Wette darauf – und bieten in jedem Fall eine andere Art der Diversifikation, die dein Portfolio widerstandsfähiger machen kann.

Der wichtigste Schritt ist, zu erkennen, dass du eine Wahl hast. Anstatt blind dem lautesten Schreihals auf der Party zu folgen, kannst du entscheiden, mit wem du dich unterhalten willst. Die eine perfekte Strategie gibt es nicht. Aber die, die am besten zu dir, deinen Zielen und deiner Risikotoleranz passt, schon. Es lohnt sich, danach zu suchen.

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