China Aktien unter Druck: Lohnt sich ein Investment?
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Das Leiden der China-Anleger, egal ob direkt in Aktien oder über einen ETF, ging in den letzten Tagen weiter. Vor allem Chinas Tech-Riesen befinden sich im Sturzflug, aber auch die Gamingbranche und der Bildungssektor stehen im Kreuzfeuer. Anleger fragen sich aus vielerlei Gründen zurecht: Was nun?
China nimmt seine Tech-Riesen weiter in die Klemme: Wie geht es weiter?
Eigentlich ist das Reich der Mitte eine Erfolgsstory – oder so sollte sie zumindest, laut vielen Investoren am Kapitalmarkt, geschrieben werden. Nach einer zaghaften Öffnung vor Jahrzehnten gewann das Land durch die Globalisierungsbemühungen des Westens immer stärker an Bedeutung. Simultan wurde China im Austausch gegen Know-how zum Produzenten und Endfertiger der westlichen Länder. Diese Beziehung, die nicht immer fair, aber für beide Seiten mehr als ertragreich verlief, sollte sich auch am Kapitalmarkt widerspiegeln.
Befürworter von China-Investments haben seit jeher ausgeblendet, dass das Land nun einmal ein kommunistisches ist, dass die Partei ihre eigenen Interessen immer über die der freien Wirtschaft stellen wird, und dass Unternehmen nur so lange willkommen sind, wie sie einen politischen Nutzen bringen. Mit dieser Realität im Hier und Jetzt konfrontiert, blicken viele Anleger auf eher magere Renditen – die nicht unbedingt schlecht sind/waren, aber auch nicht mit den Renditen der USA mithalten konnten.
Die Argumente für Aktien im Reich der Mitte waren klar: Die Bewertungen sind im Vergleich zu amerikanischen Schwergewichten und Indizes wie dem Nasdaq noch moderat, es besteht also viel Potenzial nach oben. Das sagten sich Chinaanleger seit nun mehr über einem Jahrzehnt, ausgehend von der Wirtschaftskrise 2007/08. Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Schwergewichte Chinas, dass sie zwar allesamt eine stolze Rendite haben, die jedoch in der Praxis weit entfernt vom Nasdaq, den Apples, Amazons oder Microsofts ist.
Mit dem neuerlichen aufkeimenden Risiko stellen sich viele Anleger zurecht die Frage: Wie verfahre ich nun weiter? Das Bewertungsniveau von chinesischen Aktien ist aufgrund des Abverkaufs attraktiver denn je. Aber simultan sind auch die Gefahren größer denn je. Einige Branchen, wie beispielsweise der nun in politischer Hand befindliche Bildungssektor, sind für Anleger mehr oder weniger ganz gestorben.
Neueste Entwicklungen und Ausblick
Wirtschaftswachstum und Prognosen
Die Analysten von Goldman Sachs haben ihre Wachstumsprognose für Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2024 von 4,7% auf 4,9% angehoben, dank neuer wirtschaftlicher Stützungsmaßnahmen und höherer staatlicher Ausgaben. Trotz dieses kurzfristigen Optimismus bleiben langfristige strukturelle Herausforderungen bestehen, wie eine alternde Bevölkerung und der Trend zur Entschuldung.
Wirtschaftspolitische Maßnahmen
China plant, im vierten Quartal 2024 2,3 Billionen Yuan (ca. 14,5 Milliarden Euro) aus speziellen Anleihefonds der lokalen Regierungen zu investieren, was auf eine Anhebung der Staatsverschuldungsgrenze hindeutet. Es gibt Pläne für die vorzeitige Genehmigung von Bauprojekten im Wert von 200 Milliarden chinesischen Yuan (ca. 26,8 Milliarden Euro) bis Ende Oktober, um den Bau noch vor Jahresende zu beginnen.
Technologische und Innovationsstrategien
China konzentriert sich auf die Förderung von "Industrien der Zukunft", einschließlich humanoider Roboter, Biomedizin, neuer Materialien und hochwertiger Ausrüstung, um das Wachstum durch technologische Innovationen zu steigern. Die Regierung plant, die staatliche Planung, Steuerung und Koordination von Wissenschaft und Technologie zu verstärken, um Durchbrüche in Schlüsseltechnologien zu erzielen.
Energie und Umwelt
China hat massive Investitionen in erneuerbare Energien getätigt, die zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beigetragen haben. Diese Investitionen haben auch dazu beigetragen, die CO2-Emissionen zu stabilisieren.
Strukturelle Herausforderungen
Die chinesische Wirtschaft leidet unter strukturellen Problemen, wie einem hohen Investitionsniveau und abnehmenden Ertragsraten von Investitionen in Infrastruktur und Wohnungsbau. Überkapazitäten in einigen Branchen des verarbeitenden Gewerbes sind ebenfalls ein Problem. Der schwache Immobilienmarkt und die niedrige Inlandsnachfrage belasten die Wirtschaft weiterhin.
Politisches und Regulatives Risiko
Das politische Risiko bleibt ein bedeutender Faktor, da die chinesische Regierung ihre eigenen Interessen über die der freien Wirtschaft stellt. Unvorhersehbare Entscheidungen können Investitionen beeinträchtigen. Der Druck von Seiten der amerikanischen SEC auf chinesische Aktien hinsichtlich eines möglichen Delistings bleibt bestehen, was erhebliche Risiken für Anleger birgt.
Pro und Contra abwiegen: und deine persönliche Risikofreudigkeit definieren
Bevor wir uns der Entscheidung zwischen ETF oder Aktien widmen, musst du erst einmal für dich selbst entscheiden, ob ein China-Investment die richtige Wahl für dich ist. An dieser Stelle sei uns eine Warnung gestattet: Viele Anleger neigen dazu, ihre eigene Risikofreudigkeit maßlos zu überschätzen und bemerken den "Schmerz" (und das tatsächliche Risiko) erst dann, wenn im Depot ein großes Loch klafft und mehrere Monats- oder Jahresgehälter vernichtet wurden. Versuche dich daher wirklich gedanklich in die Situation zu versetzen, dass sich dein Investment irgendwann in Luft auflöste.
Die nachfolgenden Risiken und Chancen sollen dir helfen, einen Überblick zu behalten. In deine Entscheidung können sie aber nur einfließen, wenn du deine eigene Risikofreudigkeit korrekt einschätzt.
Das spricht für weitere Investments in China
- Fundamentaldaten: Im Vergleich zu den fast schon astronomischen Bewertungen am US-Markt sind China-Aktien fair bewertet. Die Fundamentaldaten sehen hervorragend aus, die Multiples sind gering. Das liegt aber auch daran, dass das Risiko nicht unternehmerischer, sondern politischer Natur ist.
- Geografische Diversifikation: Die hohen US-Bewertungen bringen viele Anleger in eine weitere unangenehme Situation: Selbst die großen ETFs bestehen teilweise zur Hälfte oder mehr nur noch aus den USA. Wer geografisch diversifizieren möchte, kommt an China nur schlecht vorbei, da deren Bruttoinlandsprodukt und Wirtschaftskraft die der meisten Emerging Markets überstrahlt.
- Innovation: China sind als die großen Kopierer bekannt, können aber auch Innovation. Insbesondere die Tech-Schwergewichte oder beispielsweise Mobile- und On-Demand-Trends sind durchaus innovativ und weisen starke Wachstumsraten auf.
Ein weiterer Gedankengang soll nicht unerwähnt bleiben: Man darf durchaus annehmen, dass es nicht im Interesse der politischen Führung wäre, ausländische Investoren völlig zu verprellen, indem die eigenen Unternehmen systematisch ausgehöhlt werden. Andererseits ist das Interesse der Partei vorwiegend eben das der Partei: und nicht Renditen oder Kapitalmärkte.
Das spricht gegen weitere China-Investments
- Fundamentaldaten täuschen: Was bringen schöne, niedrige Multiples, wenn das Risiko ganz woanders liegt? Auch eine niedrige Bewertung von Alibaba, Tencent oder Co. hilft Anlegern nicht, wenn ihre Aktien schon bald delisted sind.
- Delisting: Auch von Seiten der amerikanischen SEC wächst der Druck auf China-Aktien. Bei einem Delisting wären diese zwar noch OTC handelbar, vor allem für Anleger mit kleinen Summen würde das aufgrund des Aufwands und der Gebühren aber fast einem Totalverlust gleichkommen.
- Unkalkulierbares politisches Risiko: Was die Regierung Chinas als nächsten Schritt plant, kann hier im Westen niemand verlässlich sagen. Folglich spielen Anleger mitunter primär Roulette, in der Hoffnung, die nächste politische Entscheidung wird den eigenen Investment-Case nicht noch weiter zerstören.
- Effektiv schlechtere Fundamentaldaten: Erst kürzlich wurde bekannt, dass Tencent rund die Hälfte des Jahresgewinns an den Staat spendet, um eine Vermögensumverteilung zu unterstützen. Damit verdoppelt sich das effektive KGV fast, auch wenn es auf dem Papier nicht so aussieht. Aufgrund solcher Aktionen verschlechtern sich die realen Fundamentaldaten erheblich.
Einzelne Aktien oder doch ein ETF?
Natürlich ist es verlockend, sich einzelne chinesische Aktien ins Depot zu legen und sich dann auszumalen, wie hoch die Renditen wären, wenn diese einmal FAANG-Multiples vom Markt erhalten oder wenigstens auf ihre ehemaligen Höchststände zurücklaufen. Insbesondere in China trägst du mit Einzelaktien aber ein hohes Risiko, das du mit einem ETF zumindest teilweise umschiffen kannst.
So beispielsweise das Delisting-Risiko: Dein ETF ist ein Wertpapier des jeweiligen Emittenten, zum Beispiel Xtrackers oder iShares. Ob chinesische Aktien nun delisten oder nicht, dein ETF bleibt weiterhin ganz normal handelbar. Die Wertverluste spiegelt dieser natürlich trotzdem wider, aber zumindest musst du nicht versuchen, OTC noch einen Käufer für deine paar Aktien zu finden – was vor allem bei Kleinanlegern meist unmöglich ist, außer die eigene Depot- oder Hausbank nimmt sie direkt ab.
Außerdem bleibt der größte Vorteil der ETFs natürlich erhalten: die möglichst breite Diversifikation. Dabei solltest du dir überlegen, ob du einen ETF auf den MSCI China (also nur China) holst oder doch einen klassischen EM-ETF (Emerging Markets), der auch noch andere Schwellenländer abbildet – wodurch sich das chinesische Risiko, aufgrund des geringeren Anteils, automatisch reduziert.
An dieser Stelle kurz zwei Möglichkeiten, wie du mit einem ETF in China investierst:
iShares MSCI China A UCITS ETF (ISIN: IE00BQT3WG13)
- physische Abbildung, thesaurierende Erträge
- TER 0,40 %, TD -0,28 %
- 474 Positionen, Top-10 macht 19,41 % aus
- 1,88 Mrd. Euro investiert
Der ETF bildet den A-Teil des chinesischen Kapitalmarktes ab. Eingangs wurde schon darauf hingewiesen, wie viele Anleger in China tolle Chancen (aufgrund der moderaten Bewertungen) sehen. Dieser ETF verdeutlicht leicht, warum das ein Trugschluss ist. Seit Auflage kommt er auf 1,43 % p.a. Rendite, der MSCI China Index befindet sich gar seit rund 15 Jahren im Abwärtstrend. Mutige Anleger argumentieren nun, die 180-Grad-Wende steht kurz bevor.
iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF (Acc) (ISIN: IE00BKM4GZ66)
- physische Abbildung, thesaurierende Erträge
- TER 0,18 %, TD 0,11 %
- 2.983 Positionen, Top-10 macht 21,51 % aus
- 15,53 Milliarden Euro investiert
Im EM-ETF ist China mit über 30 % mit Abstand die größte Position. Die großen und mittelgroßen Unternehmen erhältst du hier also auch, zusätzlich noch die aus vielen anderen Schwellenländern. Wenn du das China-Risiko minimieren und zugleich noch eine geringere TER zahlen möchtest, könnte dieser oder ein anderer EM-ETF eine gute Lösung darstellen. Bei einem China-Delisting werden aber auch hier Beulen sichtbar werden.
Weitere Überlegungen
Angesichts der turbulenten wirtschaftlichen und politischen Landschaft in China sollten Anleger stets die aktuellen Entwicklungen beobachten und gegebenenfalls ihre Anlagestrategien anpassen. Es ist wichtig, sowohl die Chancen als auch die Risiken zu bewerten und gegebenenfalls professionellen Rat einzuholen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Ermutige dich selbst, kritisches Denken zu fördern und auch andere Märkte in Betracht zu ziehen. Möglicherweise bietet sich eine Mischung aus verschiedenen Assetklassen und geografischen Regionen als robustere Strategie an, um die gesteckten Anlageziele zu erreichen.
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