Value at Risk: Das Risikomaß für Wertpapiere
Investierst Du in ETFs, kann ein Verlustrisiko nicht ausgeschlossen werden. Value at Risk (VaR) ist eine Kennzahl, die das maximale Risiko für einen Verlust innerhalb eines bestimmten Zeitraums angibt. Ihren Ursprung hat diese Kennziffer in den 1990er Jahren.
Die Geburtsstunde von Value at Risk
Der Begriff Value at Risk (VaR), auf Deutsch „gefährdeter Wert“, entstand in den 1990er Jahren in den USA. Er beschreibt, wie hoch der maximale Verlust einer Geldanlage innerhalb eines bestimmten Zeitraums sein kann. Ursprünglich wurde VaR von Banken und Versicherungen genutzt, aber mittlerweile findet er auch in anderen Branchen Anwendung. Die US-Investmentbank J.P. Morgan spielte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung dieser Kennzahl. Der damalige Vorsitzende, Dennis Weatherstone, wollte täglich um 16:15 Uhr einen Bericht über die möglichen Verluste des Handelsbestands für die nächsten 24 Stunden. Dieser „Report 4.15“ wurde 1994 veröffentlicht und kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Bedeutung von VaR
Heute ist VaR ein Standardmaß für das Risiko im Finanzsektor. Auch Unternehmen außerhalb der Finanzbranche nutzen es, um Risiken zu bewerten. Ein Beispiel: Wenn der VaR für eine Anlage bei 10 Millionen Euro liegt, die Haltedauer einen Tag beträgt und das Konfidenzniveau bei 97,5 Prozent liegt, bedeutet das, dass der Verlust mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,5 Prozent nicht höher als 10 Millionen Euro sein wird. Das Konfidenzniveau gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der der Verlust nicht überschritten wird, und die Haltedauer beschreibt den Zeitraum, für den das Risiko berechnet wird.
In den letzten Jahren hat die Bedeutung von VaR zugenommen, insbesondere in Zeiten erhöhter Volatilität und Unsicherheit. Neuere Studien betonen, dass VaR ein unverzichtbares Instrument zur Risikobewertung bleibt, insbesondere in volatilen Märkten. Die Anwendung von VaR hat sich auch auf andere Branchen ausgeweitet, wie zum Beispiel die blaue Wirtschaft, wo neue Modelle entwickelt wurden, um finanzielle Risiken besser zu bewerten. Diese Entwicklung zeigt, dass VaR nicht nur auf den Finanzsektor beschränkt ist, sondern auch in anderen Bereichen, wie der Energie- und Rohstoffbranche, an Bedeutung gewinnt. Mehr dazu findest du in unserem Artikel über Marktrisiko.
Ermittlung von Value at Risk
Die Berechnung von VaR ist mathematisch komplex, aber keine Sorge – als Privatanleger musst du die Formel nicht selbst kennen. Computerprogramme übernehmen diese Aufgabe. Grundsätzlich basiert die Berechnung auf einer Zufallsvariable, die die Verluste eines Portfolios über einen bestimmten Zeitraum beschreibt. Das Ergebnis kann grafisch dargestellt werden, wobei die horizontale Achse die möglichen Verluste und die vertikale Achse die Wahrscheinlichkeit zeigt. Die Kurve steigt zur Mitte hin an und fällt dann wieder ab.
Es gibt drei Hauptmethoden zur Berechnung von VaR:
- Historische Methode: Diese Methode verwendet historische Daten, um zukünftige Risiken abzuschätzen. Sie geht davon aus, dass sich die Vergangenheit wiederholt.
- Varianz-Kovarianz-Methode: Diese Methode basiert auf der Annahme, dass die Renditen normalverteilt sind. Sie ist rechnerisch weniger aufwendig, kann jedoch in extremen Marktsituationen ungenau sein.
- Monte-Carlo-Simulation: Diese Methode verwendet Zufallszahlen, um eine Vielzahl von möglichen Szenarien zu simulieren. Sie ist sehr flexibel, aber auch rechenintensiv.
Die Wahl der Methode hängt von den verfügbaren Daten und der gewünschten Genauigkeit ab. In der Praxis wird oft eine Kombination dieser Methoden verwendet, um ein möglichst umfassendes Bild der Risiken zu erhalten. In den letzten Jahren haben sich jedoch neue Ansätze entwickelt, wie die sogenannten „fat-tailed“ Methoden, die besser auf extreme Marktschwankungen reagieren können. Diese Methoden verwenden Verteilungen mit dicken Rändern (leptokurtische Verteilungen), um die Risiken in volatilen Märkten besser zu modellieren. Mehr über diese Ansätze erfährst du in unserem Artikel über Smart Beta ETFs.
VaR richtig interpretieren
Um das Risiko einer Geldanlage richtig einzuschätzen, ist es wichtig, den VaR korrekt zu interpretieren. Ein Konfidenzniveau von 99 Prozent bedeutet beispielsweise, dass in 99 von 100 Fällen der maximale Verlust nicht überschritten wird. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass der Verlust tatsächlich so hoch ausfällt. Der VaR kann auch als das Kapital interpretiert werden, das zur Absicherung des Risikos benötigt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kapital durch Verluste aufgebraucht wird, entspricht der vorgegebenen Ausfallwahrscheinlichkeit.
Allerdings gibt es auch Kritik an VaR. Eine der Hauptkritiken ist, dass VaR keine Informationen über die Höhe des möglichen Verlustes liefert, wenn dieser den VaR-Wert überschreitet. Dies kann dazu führen, dass extreme Risiken unterschätzt werden. Zudem gibt es keine Standardprotokolle für die verwendeten Statistiken, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, je nachdem, welche Methode zur Berechnung verwendet wird. In der Praxis wird daher oft eine Kombination aus VaR und anderen Risikomaßen, wie dem Conditional Value at Risk (CVaR), verwendet, um ein umfassenderes Bild der Risiken zu erhalten. CVaR berücksichtigt auch die Verluste, die den VaR-Wert überschreiten, und bietet somit eine genauere Risikoeinschätzung in extremen Marktsituationen. Mehr über die Bedeutung von CVaR und anderen Risikomaßen findest du in unserem Artikel über Gegenparteirisiko.
Voraussetzungen für die Berechnung des Value at Risk
Damit VaR berechnet werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Risiken müssen mit einer geeigneten Verteilungsfunktion beschrieben und in Einzelkategorien zerlegt werden.
- Die Abhängigkeiten zwischen den Risiken müssen bekannt oder schätzbar sein.
- Die Eigenschaften der Risiken sollten über die Zeit möglichst stabil und vorhersagbar sein (Extremszenarien werden dabei nicht berücksichtigt).
- Eine gesicherte Datenbasis muss vorhanden sein.
In der Praxis stellt dies oft eine Herausforderung dar, insbesondere in volatilen Märkten. Technologische Entwicklungen, wie die Integration von Volatilitätsinformationen in die VaR-Berechnung, haben jedoch dazu beigetragen, die Genauigkeit der Risikobewertung zu verbessern. Zudem haben neue regulatorische Anforderungen, wie die Einführung von Basel IV, die Bedeutung von VaR weiter erhöht. Basel IV verlangt von Finanzinstituten, dass sie ihre Kapitalanforderungen auf Basis von Risikomodellen wie VaR berechnen, was die Notwendigkeit einer genauen Risikobewertung noch verstärkt. Mehr über die Auswirkungen von Basel IV auf die Finanzbranche erfährst du in unserem Artikel über Banken einfach erklärt.
Messung des VaR
Es gibt zwei Hauptmethoden zur Messung des VaR: den analytischen Ansatz und den Simulationsansatz. Beim analytischen Ansatz wird die Verteilung der Chancen und Risiken festgelegt, oft basierend auf der Annahme einer Normalverteilung. Beim Simulationsansatz gibt es zwei Varianten: die historische Simulation und die Monte-Carlo-Simulation. Bei der historischen Simulation werden vergangene Daten verwendet, um zukünftige Risiken abzuschätzen. Die Monte-Carlo-Simulation hingegen nutzt Zufallszahlen, um mögliche Szenarien zu simulieren.
In den letzten Jahren hat sich die Monte-Carlo-Simulation als besonders nützlich erwiesen, da sie eine größere Flexibilität bei der Modellierung von Risiken bietet. Sie wird häufig von Finanzinstituten verwendet, um komplexe Portfolios zu bewerten, insbesondere in Zeiten erhöhter Marktvolatilität. Zudem haben neue Entwicklungen in der Rechenleistung und der Datenverarbeitung die Anwendung der Monte-Carlo-Simulation vereinfacht, sodass sie auch für kleinere Finanzinstitute und Unternehmen zugänglicher geworden ist. Mehr über die Anwendung von Monte-Carlo-Simulationen in der Finanzwelt findest du in unserem Artikel über Synthetische Replikation bei ETFs.
Anwendung von VaR für das ETF-Portfolio
Wenn du in ETFs investierst, wirst du in der Regel keine direkten Angaben zum VaR finden. Stattdessen wird oft die Volatilität angegeben, die die Schwankungsbreite eines Wertpapiers in der Vergangenheit beschreibt. Ein Beispiel: Der Deka DAX (ausschüttend) UCITS ETF (ISIN DE000ETFL060) hat eine Volatilität von 30,26 Prozent pro Jahr. Das bedeutet, dass die Kurse dieses ETFs in der Vergangenheit stark geschwankt haben. Je höher die Volatilität, desto größer das Risiko. Der VaR könnte zusätzlich berechnet werden, um das Risiko noch genauer zu bestimmen, aber das ist für Privatanleger oft zu kompliziert.
VaR kann für verschiedene Portfolios verwendet werden, sei es ein Aktienportfolio, ein ETF-Portfolio oder ein gemischtes Portfolio. Für Privatanleger ist die Berechnung jedoch oft zu aufwendig. Daher wird VaR hauptsächlich bei aktiv gemanagten Portfolios oder Robo-Advisorn eingesetzt. In der Praxis wird VaR auch von Regulatoren verwendet, um die Kapitalanforderungen von Finanzinstituten zu bestimmen. Die Einführung von Basel IV und die damit verbundenen regulatorischen Anforderungen haben die Bedeutung von VaR in der Finanzbranche weiter erhöht. Zudem wird VaR zunehmend in der blauen Wirtschaft eingesetzt, um Risiken in Bereichen wie der Fischerei, dem Seeverkehr und der Offshore-Energie zu bewerten. Mehr über die besten ETFs für dein Portfolio findest du in unserem Artikel über die besten ETFs 2022.
Kritiken an Value at Risk
VaR hat auch seine Schwächen. Zwar gibt die Kennzahl an, wie wahrscheinlich ein Verlust ist, aber sie sagt nichts über die Höhe des möglichen Verlustes aus. Um genauere Informationen zu erhalten, wurde VaR in der Vergangenheit erweitert. Diese Erweiterungen sind jedoch für Privatanleger meist nicht relevant und werden eher von Finanzinstituten oder Robo-Advisorn genutzt.
Eine weitere Kritik an VaR ist, dass es in extremen Marktsituationen zu einer Unterschätzung der Risiken kommen kann. Dies liegt daran, dass VaR auf historischen Daten basiert, die nicht immer die extremen Schwankungen der Märkte widerspiegeln. In der Praxis wird daher oft eine Kombination aus VaR und anderen Risikomaßen, wie dem Conditional Value at Risk (CVaR), verwendet, um ein umfassenderes Bild der Risiken zu erhalten. Zudem haben neue Methoden, wie die „fat-tailed“ VaR-Modelle, dazu beigetragen, die Genauigkeit der Risikobewertung in extremen Marktsituationen zu verbessern. Mehr über die Risiken und Chancen von ETFs erfährst du in unserem Artikel über Totalverlust bei ETFs.
Fazit: Value at Risk misst die Risikowahrscheinlichkeit
Wenn du in Aktien oder ETFs investierst, solltest du das Risiko von Verlusten im Blick behalten. Value at Risk (VaR) hilft dabei, die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu ermitteln. Die Berechnung ist zwar komplex, aber für Privatanleger oft nicht notwendig. Stattdessen kannst du dich auf die Volatilität verlassen, um das Risiko deiner ETFs einzuschätzen. VaR wird vor allem bei aktiv gemanagten Portfolios und Robo-Advisorn verwendet, um das Risiko besser zu verstehen. In der Finanzbranche bleibt VaR ein unverzichtbares Instrument zur Risikobewertung, auch wenn es in extremen Marktsituationen seine Grenzen hat. Neue Entwicklungen, wie die „fat-tailed“ Methoden und die Einführung von Basel IV, haben jedoch dazu beigetragen, die Genauigkeit und Relevanz von VaR weiter zu verbessern. Mehr über die besten ETFs für dein Portfolio findest du in unserem Vergleich der besten NASDAQ 100 ETFs.
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