Aktienrente: Was ist der Stand der Dinge?
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Die Aktienrente war essenzieller Bestandteil des Wahlkampfes der FDP und gilt auch jetzt noch als Finanzminister Christian Lindners Herzensprojekt - auch wenn sie aufgrund der gegenwärtigen Krise um ein Jahr aufgeschoben wurde. Wir geben dir einen Einblick in den Stand der Dinge.
Was ist die Aktienrente?
Mit der Aktienrente plant die FDP die Rentenkasse zu entlasten. Dafür soll nach skandinavischem Vorbild ein bestimmter Betrag in den Kapitalmarkt breitgestreut investiert werden, welcher ab Mitte der 2030er-Jahre zur Kapitaldeckung des Rentensystems genutzt wird - mitsamt den bis dato generierten Renditen.
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Jetzt Gratis-ETF sichernIm Endeffekt ist die Aktienrente also zunächst nicht sonderlich anders als das, was du vielleicht heute schon machst: Es wird auf lange Sicht Kapital angelegt mit der bisher erlangten Erkenntnis, dass die Kapitalmärkte über einen langfristigen Zeitraum stets eine positive Entwicklung vorzuweisen hatten.
Warum ist die Aktienrente in Deutschland notwendig?
Das Rentensystem "funktioniert" in Deutschland relativ simpel: Die jungen, erwerbstätigen Menschen zahlen in die Rentenkasse ein, das eingezahlte Geld erhält im Gegenzug die aktuelle Generation der Rentner. Die zuvor einzahlenden erwerbstätigen Menschen erhalten dann später, wenn sie selbst in Rente gehen, Zahlungen von der dann nachgezogenen, jungen Generation.
In Gänsefüßchen steht das "funktioniert" deshalb, weil das System eigentlich eben nicht funktioniert. Deutschlands Demografie, sowohl aktuell als auch deren Entwicklung, schiebt diesem Verteilungsmechanismus effektiv schon jetzt einen Riegel vor. Vereinfacht ausgedrückt gibt es schlicht zu wenige Einzahler, auf der anderen Seite zu viele Rentner. Diese Situation wird sich aufgrund der stetig älterwerdenden Bevölkerung Deutschlands in den kommenden Jahrzehnten noch verschärfen.
Schon heute muss die Rentenkasse deshalb großzügig mit Steuergeldern bezuschusst werden, um überhaupt das aktuelle Rentenniveau halten zu können. Ebenfalls aus diesem Grund liest du häufig von Diskussionen rund um ein womöglich anzuhebendes Renteneintrittsalter. Sinn und Zweck dahinter ist, die Menschen länger in der Erwerbstätigkeit zu halten, wodurch sie länger auf der Einzahler-Seite stehen, statt auf die Auszahler-/Rentner-Seite zu rutschen.
Nun kommt die Aktienrente ins Spiel. An der Zahl der Erwerbstätigen lässt sich nur minimal drehen, auch ist es bei der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland nur schwer möglich, diese noch weiter anzuheben - sie befindet sich ja schon jetzt auf einem internationalen Rekordhoch. Ebenso steigt die Lebenserwartung: Wodurch Rentner länger leben und im Gegenzug in der Summe mehr Geld aus der Rentenkasse beziehen.
Mit dem auf dem Kapitalmarkt in Aktien und ETFs investierten Kapital soll eben jenes nun also arbeiten, wie es das auch schon in deinem Depot macht. Ganz wichtig: Die Situation in Deutschland ist so prekär, dass die Rendite aus der Aktienrente nicht einmal zur Rentensteigerung genutzt werden soll, sondern lediglich zum Stopfen der unzähligen und immer größer werdenden Löcher zwischen Einnahmen und Auszahlungen.
Video: Die gesetzliche Aktienrente
Die Ziele der Aktienrente in der Übersicht
- Sie soll in einer immer stärker alternden Gesellschaft dazu beitragen, dass die nachkommende Renten-Generation überhaupt noch eine Rente erhalten kann.
- Sie soll in der Zeit der Erwerbstätigkeit gewährleisten, dass die Rentenbeiträge weniger stark und weniger schnell steigen, also vom Bruttolohn mehr Nettogehalt übrigbleibt.
- Sie soll die Rentenbeiträge insgesamt diversifizieren, damit diese nicht mehr nur direkt von einer Hand in die Nächste wechseln, sondern Kapital zwischenzeitlich "arbeitet".
- Langfristig soll die Aktienrente die hohen Zuschüsse, die schon heute für die aktuellen Rentenzahlungen notwendig sind und aus dem Haushalt und damit aus Steuergeldern gezogen werden, reduzieren.
Die aktuelle Situation: Fest steht noch nichts!
Eigentlich sollte die Aktienrente bereits im Jahr 2022 kommen, da sie die FDP zu einer Bedingung im Koalitionsvertrag gemacht hat. Nun wurde sie aber aufgeschoben und soll tatsächlich erst 2023 an den Start gehen. Die Aufschiebung wurde mit den außergewöhnlichen Belastungen der Gegenwart begründet, namentlich beispielsweise das Sondervermögen zur Aufstockung von Deutschlands Verteidigung und die zahlreichen hohen Subventionszahlungen, die die Regierung zur Entlastung in der Energiekrise beschloss. Für die Aktienrente existierten daher, aus rein finanzieller Sicht, im laufenden Jahr schlicht keine Mittel.
Christian Lindner, der federführend für die Aktienrente ist, hat sich nun festgelegt, dass diese in jedem Fall 2023 kommt. Das Eckvorhaben wurde bereits Anfang November vom Bundesfinanzministerium skizziert, alle Details stehen aber noch längst nicht fest. Was das Papier aus dem Finanzministerium bisher darstellt, sieht wie folgt aus: Im Jahr 2023 soll dem Haushalt einmalig ein Betrag in Höhe von 10 Milliarden Euro entnommen werden, um diesen breitgestreut in den Kapitalmarkt zu investieren und damit die Aktienrente aufzubauen. Das Geld dafür nimmt der Bund als Schulden auf, es wird also nicht von den aktuell in die Rentenkasse einzahlenden Erwerbstätigen genommen.
Zwar hat sich Christian Lindner bekanntlich der Schuldenbremse verschrieben, aber wie auch schon beim Sondervermögen für Deutschlands Militär und der Übernahme von kriselnden Versorgern wird das Kapital einfach am Haushalt vorbeigeschleust - diesmal mit der Begründung, dass die 10 Milliarden Euro nur eine Finanztransaktion sind, aber eigentlich keine Ausgaben. Die Zinsen, die dem Bund durch diese Schuldenaufnahme entstehen, sollen der Rendite des Aktienrente-Fonds gegengerechnet werden.
Von großem Vorteil ist an dieser Stelle Deutschlands erstklassige Bonität, auch das im Euroraum immer noch niedrige Zinsniveau hilft. So ist es der Bundesrepublik möglich sich zu relativ niedrigem Zins zu verschulden, der deutlich unter der erwarteten, langjährigen Kapitalmarktrendite liegt.
Näheres zur Summe und Verwaltung der Aktienrente
Am Gesetzestext wird aktuell noch gearbeitet, in Stein gemeißelt ist also noch nichts. Das fängt bereits bei dem eigentlichen Betrag an. Natürlich kann man auch mit 10 Milliarden Euro in einem Aktienfonds nicht die Renten der Bundesrepublik ausreichend stabilisieren, tatsächlich ist der genannte Betrag so klein, dass de facto gar kein nennenswerter Effekt entsteht. Das Bundesfinanzministerium verlangt daher diese einmalige Anlage fortan jährlich einzuzahlen - ab 2024 sollen also pro Jahr 10 Milliarden Euro in den Fonds fließen. Dafür gibt es bisher aber keine Zustimmung unter den Koalitionspartnern.
Wie klein und irrelevant die Aktienrente nach aktuellem Planungsstand ist, zeigt ein Vergleich: Steigt der Rentenbeitrag um 1 %, entspricht das 17 Milliarden Euro. Wenn man diese Steigerung ab Mitte 2030 vermeiden möchte, indem man Kapitalgewinne aus dem Aktienrente-Fonds zieht, müsste der also ein Volumen zwischen 210 und 250 Milliarden Euro haben - ausgehend von 7 beziehungsweise 8 % p.a. Kapitalmarktrendite. Soll der Fonds Steigerungen um 2 % auffangen, wären schon rund 500 Milliarden Euro notwendig. Zur Erinnerung: Aktuell wird um 10 Milliarden Euro gestritten.
Um die Summe in eine andere Relation zu setzen: Deutschland hat, auch wenn wir hierzulande fast gar keine und bald definitiv keine Atomkraftwerke mehr betreiben, einen Entsorgungs-Fonds für kerntechnischen Abfall, der aktuell 24 Milliarden Euro umfasst.
Der Vergleich macht gleich doppelt Sinn, weil die Aktienrente auch von den Verantwortlichen verwaltet werden soll, die schon den Fonds für Atomkraftabfälle betreiben. Damit hat man sich zugleich gegen eine Verwaltung durch die Deutsche Bundesbank entschieden, welche für längere Zeit im Raum stand.
Simultan gibt es Überlegungen, den Fonds anfänglich durch weitere Sacheinlagen aufzustocken. Das dürften vor allem Aktien sein, die der Bund sowieso schon hält - beispielsweise von der Deutschen Post oder jüngst auch von Uniper. Von Vorteil wäre damit natürlich, dass keine neuen Schulden aufgenommen werden müssten und direkt auch ein kleiner Bestand diverser Aktien existiert.
Ist die Aktienrente sicher?
Deutschland hat fast schon eine unrühmliche Tradition, wenn es um Zweckentfremdung geht. Ob Pflegekassenrücklagen vorzeitig geplündert werden oder der eigentlich immer noch zweckgebundene Solidaritätszuschlag quasi einfach dauerhaft bestehen bleibt, auch beim Aktienrente-Fonds gibt es genügend Kritiker. Die Befürchtung ist, dass spätestens bei der nächsten kleinen oder großen Krise die Kassen geplündert werden, um irgendwo an anderer Stelle ein Loch zu stopfen.
Dem will die FDP per Gesetz entgegentreten. Das sorgt dafür, dass das Gesetz von einer neuen (oder derselben) Regierung nachträglich geändert werden müsste, was weder einfach noch mit Mehrheiten in der Regierung schnell realisierbar ist. Trotzdem kann eine Zweckentfremdung, vor allem über einen Zeitraum von Jahrzehnten, mit keinem Gesetz pauschal ausgeschlossen werden - außer dieses würde sich im Grundgesetz wiederfinden, wovon aber nicht auszugehen ist.
Fazit: Viel Wirbel um sehr wenig
Niemand sollte sich auf die Aktienrente oder generell seine Rente verlassen, vor allem nicht, wenn die eigene Rentenauszahlung noch einige Jahrzehnte in der Zukunft liegt. Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Aktienrente zwar schön gedacht und folgt dem erfolgreichen Modell aus Schweden und Norwegen, in der Praxis zeichnet sich aber eher ein tristes Bild ab.
Die gehandelten Summen für den Fonds sind so verschwindend gering, dass der Fonds gut und gerne auch einfach gar nicht existieren könnte - zumal er das zum aktuellen Zeitpunkt sowieso noch nicht tut. Um eine überhaupt relevante Entlastung auf Einzahlerseite zu generieren, müsste der Fonds ein Vermögen zwischen 210 und 800 Milliarden Euro vorweisen, je nachdem wie stark die Entlastung ausfallen soll und wie erfolgreich der Fonds investiert.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Ampelkoalition kaum auf 10 Milliarden Euro verständigen kann, bleibt das Vorhaben bis jetzt vor allem wenig hilfreiche Symbolpolitik.
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