Handelsbarrieren bei Exoten-ETFs: Verkauf komplexer als gedacht
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Exotische ETFs locken mit Chancen, doch der Verkauf birgt Tücken. Entscheidend ist nicht die Liquidität des Fonds, sondern die seiner Basiswerte. Ignorieren Sie dies, drohen hohe Kosten durch weite Spreads und schlechte Kurse beim Ausstieg.

Liquidität ist nicht gleich Liquidität
Um die Herausforderung zu verstehen, müssen wir zwei Arten von Liquidität unterscheiden. Da ist zum einen die Liquidität des ETFs selbst, also wie oft und in welchem Volumen die Anteile an der Börse gehandelt werden. Ein ETF auf den DAX oder den MSCI World wechselt minütlich Tausende Male den Besitzer. Das Handelsvolumen ist enorm, die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs (der Spread) minimal.
Zum anderen gibt es die Liquidität der zugrunde liegenden Märkte und Wertpapiere, die der ETF abbildet. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Ein ETF kann an der Börse Xetra noch so rege gehandelt werden – wenn er in vietnamesische Aktien, seltene Industriemetalle oder Anleihen aus Nigeria investiert, hängt seine wahre Liquidität an diesen Basiswerten. Wenn niemand diese Papiere kaufen will, kann auch der ETF-Anbieter (Emittent) nicht einfach neue Anteile schaffen oder alte zurücknehmen, ohne die Kurse massiv zu beeinflussen. Dieser Mechanismus, der sogenannte Creation/Redemption-Prozess, ist das Rückgrat der ETF-Liquidität. Bei Exoten-ETFs stößt er jedoch an seine Grenzen.
Die Anatomie der Exoten: Wer ist betroffen?
Bevor wir tiefer in die Probleme eintauchen, lass uns klären, was wir unter „Exoten“ verstehen. Es geht nicht nur um Fonds auf entlegene Länder. Betroffen sind typischerweise mehrere Kategorien:
- Frontier- und Nischen-Schwellenländer-ETFs: Fonds, die in Märkte wie Pakistan, Kenia oder Rumänien investieren. Diese Börsen haben oft geringe Handelsvolumen, strenge Kapitalverkehrskontrollen und begrenzte Handelszeiten.
- Spezialisierte Themen- und Sektor-ETFs: Ein ETF auf Wasserstoff-Technologie mag sexy klingen, aber er investiert oft in kleine, wenig gehandelte Unternehmen. Ähnliches gilt für Nischen wie 3D-Druck, seltene Erden oder Agrar-Start-ups.
- Illiquide Anleihen-ETFs: Vor allem Fonds, die in Hochzinsanleihen (High Yield) mit schlechtem Rating oder in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern investieren, können bei Marktstress schnell austrocknen.
- Bestimmte Rohstoff-Produkte (ETCs/ETNs): Während Gold und Öl sehr liquide sind, sieht es bei ETCs auf Platin, Palladium oder Agrarrohstoffe wie Lebendrind schon anders aus. Hier ist nicht nur der Spotmarkt, sondern vor allem der Future-Markt entscheidend.
Der gemeinsame Nenner all dieser Produkte ist die geringe Liquidität ihrer Basiswerte. Das führt direkt zu den konkreten Problemen beim Verkauf.
Die unsichtbaren Kosten: Wenn der Verkauf teuer wird
Du hast also entschieden, deinen Vietnam-ETF zu verkaufen, vielleicht weil du Gewinne mitnehmen willst oder weil sich die Lage vor Ort eintrübt. Du loggst dich bei deinem Broker ein und stellst fest, dass der Verkaufspreis deutlich unter dem letzten angezeigten Kurs liegt. Willkommen in der Welt der Handelsbarrieren.
Problem 1: Der Spread reißt auf
Der Spread ist die Differenz zwischen dem Geldkurs (was Käufer zu zahlen bereit sind) und dem Briefkurs (was Verkäufer haben wollen). Bei einem liquiden ETF auf den S&P 500 beträgt dieser Spread oft nur 0,01 % bis 0,05 %. Bei einem Exoten-ETF kann er aber schnell auf 0,5 %, 1 % oder in turbulenten Phasen sogar noch mehr anwachsen. Ein Spread von 1 % bedeutet, dass du direkt nach dem Kauf schon 1 % im Minus wärst, wenn du sofort wieder verkaufen würdest. Beim Verkauf realisierst du diesen Verlust oder Mindergewinn. Bei einer Verkaufssumme von 10.000 Euro sind das mal eben 100 Euro, die direkt an den Market Maker gehen.
Problem 2: Der Market Maker wird nervös
Market Maker sind die wichtigsten Liquiditätsspender an der Börse. Es sind spezialisierte Finanzinstitute, die permanent An- und Verkaufskurse für ETFs stellen und damit sicherstellen, dass du jederzeit handeln kannst. Ihre Kalkulation basiert darauf, wie einfach sie die zugrunde liegenden Wertpapiere kaufen oder verkaufen können, um sich abzusichern.
Bei einem ETF auf den ghanaischen Aktienmarkt ist diese Absicherung aber ein Albtraum. Die Börse in Accra hat kurze Handelszeiten, ist illiquide und vielleicht durch eine andere Zeitzone gerade geschlossen. Der Market Maker muss also ein hohes Risiko in seine Kurse einpreisen. In Phasen von Marktstress, wenn alle gleichzeitig aus der Tür wollen, wird es extrem. Er wird seine Spreads massiv ausweiten oder im schlimmsten Fall die Quotierung sogar kurzzeitig einstellen, um sich selbst zu schützen. Für dich bedeutet das: Du kannst entweder zu einem miserablen Kurs verkaufen oder gar nicht.
Problem 3: Das Dilemma des Handelsvolumens
Achte einmal auf das durchschnittliche Tagesvolumen deines Wunsch-ETFs an deiner Heimatbörse, zum Beispiel Xetra. Bei vielen Exoten liegt es oft nur bei wenigen zehntausend oder hunderttausend Euro pro Tag. Wenn du nun versuchst, eine Position im Wert von 50.000 Euro zu verkaufen, repräsentiert deine einzelne Order einen erheblichen Teil des gesamten Tageshandels. Du wirst den Kurs mit deinem Verkaufsdruck unweigerlich nach unten bewegen. Jeder, der nach dir verkauft, bekommt einen noch schlechteren Preis. Du bist sozusagen der Elefant im Porzellanladen, obwohl deine Ordersumme für einen DAX-ETF nur ein Rundungsfehler wäre.
Problem 4: Zeitzonen und geschlossene Märkte
Ein praktisches, aber oft übersehenes Problem. Du möchtest deinen Japan-ETF am Nachmittag um 15:00 Uhr deutscher Zeit verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Börse in Tokio aber schon seit Stunden geschlossen. Der Market Maker kann die zugrunde liegenden japanischen Aktien also nicht handeln. Er stellt zwar weiterhin Kurse für den ETF, aber diese basieren auf Schätzungen, die er aus den Kursen der japanischen Index-Futures an den US-Börsen oder anderen Indikatoren ableitet. Diese Unsicherheit lässt er sich bezahlen – durch einen höheren Spread. Die beste Liquidität für einen solchen ETF findest du in der Regel morgens, wenn der europäische und der asiatische Markt für einige Stunden überlappen.
Praktische Strategien zur Schadensbegrenzung
Jetzt bloß nicht in Panik verfallen. Exotische Investments haben ihre Berechtigung, aber du musst die Spielregeln kennen. Mit der richtigen Vorbereitung und Technik kannst du die schlimmsten Fallstricke umgehen.
- Mache deine Hausaufgaben vor dem Kauf: Schau dir nicht nur das Factsheet des ETFs an. Prüfe auf den Webseiten der Börsen (z. B. bei der Deutschen Börse) das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen und den typischen Spread. Ist das Volumen konstant niedrig? Ist der Spread regelmäßig über 0,5 %? Das sind Warnsignale. Informiere dich auch über die Liquidität der Basiswerte. Ein Blick in die Top-10-Positionen des ETFs und eine kurze Recherche zu diesen Unternehmen können schon helfen.
- Nutze ausschließlich Limit-Orders: Das ist die wichtigste Regel beim Handel mit illiquiden Wertpapieren. Eine Market-Order bedeutet, du verkaufst zum nächstbesten verfügbaren Preis – egal wie schlecht dieser ist. Bei einer Limit-Order legst du einen Mindestpreis fest, unter dem dein Auftrag nicht ausgeführt wird. Das schützt dich vor absurden Kursen und gibt dir die Kontrolle zurück. Setze das Limit nicht zu eng am aktuellen Kurs, sondern gib dem Markt etwas Luft, aber setze eine klare Untergrenze.
- Timing ist entscheidend: Handle Exoten-ETFs nur dann, wenn ihre zugrunde liegenden Märkte ebenfalls geöffnet sind. Für Asien-ETFs bedeutet das den Vormittag, für Amerika-ETFs den Nachmittag. Vermeide den Handel in den ersten und letzten Minuten eines Handelstages, da die Volatilität hier oft höher und die Spreads weiter sind.
- Verkaufe in Tranchen: Wenn du eine größere Position verkaufen willst, platziere nicht alles auf einmal. Teile den Verkauf in mehrere kleinere Orders auf, die du über den Tag oder sogar über mehrere Tage verteilst. So vermeidest du, mit einer einzigen großen Order den Kurs selbst unter Druck zu setzen.
Fazit: Exotik ja, aber mit Plan
Nischen- und Exoten-ETFs sind faszinierende Werkzeuge, um ein Portfolio zu diversifizieren und von ganz speziellen Markttrends zu profitieren. Stand heute, am 26.06.2025, ist die Produktvielfalt größer denn je und verleitet zum schnellen Zugreifen. Doch der einfache Kauf darf nicht über die potenziellen Hürden beim Verkauf hinwegtäuschen.
Die Liquidität eines ETFs hängt letztlich immer an der Liquidität seiner Basiswerte. Ignorierst du diese Tatsache, zahlst du die Zeche in Form von hohen Spreads, schlechten Ausführungskursen und im Extremfall der Unverkäuflichkeit deiner Anteile. Es ist wie bei einem Sportwagen: Die Beschleunigung ist beeindruckend, aber die wirklich wichtigen Fragen sind: Wie gut sind die Bremsen und wie teuer wird die Wartung?
Bevor du also das nächste Mal von einem exotischen Thema gepackt wirst und auf den Kaufen-Button klickst, denke einen Schritt weiter. Prüfe die Liquiditätskennzahlen, plane deine Ausstiegsstrategie und nutze die richtigen Werkzeuge wie Limit-Orders. Denn ein cleverer Investor zeichnet sich nicht nur dadurch aus, was er kauft, sondern auch dadurch, wie und wann er verkauft.
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