🇪🇺 Sind europäische Aktien und ETFs aktuell unterbewertet?

Ein Blick auf die Aktienkurse europäischer Unternehmen lässt viele Privatanleger aktuell mit fragendem Blick zurück: Sind diese niedrigen Bewertungen tatsächlich gerechtfertigt? Oder schlummert hier unterschätztes Potenzial, das Anleger noch nicht erkannt haben? In diesem Artikel schauen wir genauer hin. Bewertungskennzahlen, makroökonomische Faktoren sowie geopolitische und sektorale Betrachtungen sorgen für eine klare Einordnung – und helfen dir zu entscheiden, ob europäische Aktien und ETFs nun günstig oder zurecht abgestraft sind.
Nach KGV und KBV: Europas Aktien gĂĽnstig wie selten zuvor
Einstiegspunkt Nummer eins – Bewertungskennzahlen. Ein Blick auf den Stoxx Europe 600 in Sachen KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) zeigt deutlich reduzierte Preisniveaus: Bestimmte Schwergewichte und etablierte Namen wie etwa Stellantis handeln aktuell zu einem KGV von etwa 3,9 – extrem günstig im historischen Vergleich. Selbst Größen wie die Porsche Holding weisen teilweise ein erwartetes KGV unter 3 auf. Natürlich sollte man niedrige KGVs nie isoliert betrachten – oft sind sie ein Warnsignal. Doch in einem breiten Marktvergleich sticht heraus: Europa ist insgesamt günstiger bewertet als die USA und viele Schwellenländer.
Auch der Blick aufs Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) fördert Überraschendes zutage: Unternehmen wie ThyssenKrupp oder Aurubis handeln zu rund 0,4–0,7 ihres Buchwertes – also deutlich unter dem bilanziellen Vermögen. In anderen Worten: Du könntest diese Aktien theoretisch kaufen, die Unternehmen sofort auflösen und dabei sogar noch Gewinn machen. Natürlich funktioniert das in der Praxis nicht so einfach – aber die Unterbewertung vieler europäischer Unternehmen zeigt sich teilweise überdeutlich, gerade im Vergleich zur hochpreisigen Bewertung amerikanischer Technologiewerte.
Die Gründe für diese Bewertungsschere sind vielfältig. Der Technologievorsprung der USA ist enorm. Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla – die sieben US-Riesen repräsentieren zusammen über 12 Billionen Dollar Börsenwert. Die sieben größten europäischen Tech-Firmen kommen gerade einmal auf rund 700 Milliarden Dollar. Kein Wunder, dass Europas Bewertungen niedriger ausfallen.


Die Makro-Sicht: Zinspolitik und Wirtschaftsdaten begĂĽnstigen Europa
Um die Frage gezielter zu beantworten, brauchst du die gesamtwirtschaftliche Brille. Hier wird die Zinspolitik der EZB zentral. Nach zehn Zinserhöhungen bis auf 4,5 % seit Mitte 2022 hat die EZB nun ihre Richtung geändert und die Zinsen 2024 bereits mehrfach gesenkt. Diese Trendwende in der Geldpolitik könnte europäischen Unternehmen mittelfristig enorme Vorteile bringen – besonders jenen Firmen mit höheren Schulden und laufendem Refinanzierungsbedarf. Der Rückenwind durch günstigere Kreditkonditionen erhöht tendenziell die Profitabilität europäischer Unternehmen.
Analysten wie etwa jene der Citigroup rechnen wegen der früheren Lockerungen in Europa sogar mit einer relativen Outperformance europäischer Aktien gegenüber US-Titeln. Doch die Zinsstrategie birgt auch Risiken: Die EZB selbst kämpft mit Verlusten, bedingt durch hohe Zinssätze, die im letzten Jahr fast 8 Milliarden Euro Minus verursachten. Immerhin: Die Chancen einer besseren Marktstimmung sind derzeit alles andere als unrealistisch.
Schattenseiten Europa: Geopolitik und Energiekosten
Ein niedriger Preis kommt allerdings nie ohne Grund. Insbesondere geopolitische Risiken lasten aktuell noch stärker auf Europas Aktienmärkten als anderswo. Die Ukraine-Krise, Spannungen zwischen Europa, den USA und China, wachsende Handelsbarrieren – die Weltlage könnte für europäische Exportunternehmen kaum komplizierter sein. Das drückt auf künftige Gewinnprognosen und führt zu Abwertungen am Kapitalmarkt.
Dazu gesellt sich die strukturelle Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen durch weiterhin vergleichsweise hohe Energiekosten. Höhere Gas- und Strompreise gegenüber den USA und weiten Teilen Asiens machen weitere Investitionen weniger attraktiv. Die EU arbeitet zwar an Strategien, um diese Probleme anzugehen, doch schnelle Erfolge sind nicht garantiert. Anlegern, die günstig kaufen möchten, muss deshalb klar sein: Sie bezahlen den niedrigen Preis heute für Risiken von morgen.
Sektorale Chancen: Wo Europas Unternehmen glänzen (und wo nicht)
Nicht alle Branchen leiden gleichermaßen unter geopolitischen Problemen oder hohen Energiekosten. Tatsächlich haben einige Sektoren zuletzt sogar besonders attraktiv performt: Allen voran Banken. Ausgerechnet in einem Umfeld sinkender Zinsen gehören europäische Bankaktien zu den Stars. Interessante Bewertungsniveaus mit KGV um 5 bei etablierten Instituten wie Société Générale oder BNP Paribas bieten attraktive Einstiegschancen. Zudem locken solide Dividendenrenditen. Anleger scheuen dieses Segment längst nicht mehr – kann hier vielleicht eine Neubewertung stattfinden?
Anders sieht es im Tech-Bereich aus. Europas Tech-Wachstum hinkt dem amerikanischen deutlich hinterher: Während US-Tech-Giganten auf Umsatzwachstumsraten von weit über 20 % pro Jahr kommen, erreichen ihre europäischen Pendants gerade mal rund 10 %. Anleger, die ausschließlich auf Wachstum setzen wollen, finden in Europa aktuell schlicht weniger spannende Titel als in den USA.
ETFs als preiswerte Alternative: Europäische Indizes im Fokus
Du willst breit investieren? ETFs bieten hier eine ideale Möglichkeit, günstige Bewertungen in Europa zu nutzen und gleichzeitig dein Risiko über viele Unternehmen breit zu streuen. MSCI Europe oder Stoxx Europe 600 ETFs decken hunderte europäische Unternehmen verschiedener Branchen und Größenordnungen ab.
Aktuell scheint das Interesse wieder anzusteigen: In den letzten zwölf Monaten haben europäische Index-ETFs mit über zwölf Milliarden Euro fast drei Mal mehr Kapital angelockt als entsprechende US-Fonds. Ein Vertrauenssignal der Anleger? Vielleicht. Sicher aber eine zumindest vorsichtige Rückkehr zur Erkenntnis, dass Europas Aktien womöglich zurzeit eben doch besonders fair bewertet sein könnten – vor allem im Hinblick auf längerfristige Chancen.
Punktuelle Anlagestrategien passend zur aktuellen Marktlage
Zwei Ansätze erscheinen besonders zielführend: Contrarian Investing – also den Mut haben, genau antizyklisch zu agieren – sowie Factor Investing, also die gezielte Auswahl von Aktien gemäß Faktoren (Bewertung, Qualität, Momentum). Zugegeben, Contrarian Investing erfordert etwas Geduld und durchaus starke Nerven. Doch es könnte aktuell eine ideale Vorgehensweise sein, gerade an einem europäischen Markt, der von Skepsis geprägt scheint.
Institutionelle Investoren gehen übrigens langsam in diese Richtung: Deutsche und europäische Pensionsfonds bauen zunehmend ihre Aktienquote aus. Rund 36 % der Gelder liegen inzwischen in Aktien – ein deutliches Zeichen, dass größere Player längst mit einer Renaissance europäischer Werte rechnen.
Fazit: Europas Aktien – zwischen echten Schnäppchen und guten Gründen
Also, sind europäische Aktien unterbewertet? Die Antwort ist klar: Nach vielen Kennzahlen definitiv. Tief bewertete Titel und attraktive Chancen findest du insbesondere in Finanztiteln sowie in bewährten Industrieunternehmen.
Doch die niedrigen Preise spiegeln echte Risiken wider. Hohe Energiekosten, fehlende Tech-Dominanz und geopolitische Spannung erklären, weshalb Europa günstiger als die USA bewertet ist. Europas Aktienmarkt bietet aktuell reizvolle Chancen – allerdings sind sie längst nicht ohne Risiken.
Trotzdem: Selektiv investieren kann sich auszahlen. Egal ob günstige Bankaktien mit hohen Dividenden oder ETFs, die die Chancen einer mittelfristigen Bewertungsanpassung nutzen – Europas Aktien könnten jetzt eine strategisch kluge Ergänzung für dein Portfolio sein. Bleib also aufmerksam, wäge Chancen und Risiken vernünftig ab – und dann: Viel Erfolg bei deinen Investitionen!
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